Wie Ängstlichkeit Wahrnehmung beeinflusst: Ergebnisse aus dem Psychophysik-Labor der PHB

Nils Kraus
Nils Kraus

Wie beeinflussen Emotionen unsere Wahrnehmung? Treffen ängstliche Menschen Entscheidungen anders als weniger ängstliche Menschen? Und wenn ja in welcher Form? Mit diesen Fragen hat sich Nils Kraus, Doktorand im Fachbereich Allgemeine und Biologische Psychologie an der PHB, in einer aktuellen Verhaltensstudie beschäftigt. Erste Ergebnisse der Studie wurden nun als Artikel unter dem Titel „Trait anxiety is linked to increased usage of priors in a perceptual decision making task“ von der renommierten Fachzeitschrift Cognition zur Publikation angenommen. Es ist die erste Publikation, die auf Daten des psychophysischen Labors beruht, das unter Leitung von Prof. Guido Hesselmann seit 2018 an der PHB aufgebaut wird.

 

In der dem Artikel zugrunde liegenden Verhaltensstudie untersuchte Nils Kraus, ob ängstliche Menschen im Fall von unklarer visueller Information auf andere Strategien zurückgreifen als weniger ängstliche. Den Testpersonen wurden an einem Monitor Wolken von Punkten gezeigt, deren Bewegungsrichtung sie einschätzen sollten. Es stellte sich heraus, dass im Fall einer unklaren Ausgangslage ängstlichere Menschen weniger ihren eigenen Augen trauten und sich dafür stärker auf bereits vorhandenes Wissen und Vorannahmen verließen. Die Ergebnisse weisen laut Nils Kraus darauf hin, dass emotionale Veranlagungen und Persönlichkeitsmerkmale einen starken Einfluss darauf haben könnten, wie wir unsere Welt wahrnehmen und wie wir auf sie reagieren.

 

Die Studie wurde im Psychophysik-Labor der PHB durchgeführt, das unter Leitung von Prof. Guido Hesselmann seit September 2018 an der PHB aufgebaut wird. Das Labor bietet neben mehreren Arbeitsplätzen für Experimente zur visuellen und auditiven Wahrnehmung einen Eye-Tracker für die Erfassung von Blickbewegungen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, peripherphysiologische Maße (z.B. die Hautleitfähigkeit) während der Experimente zu erheben. In naher Zukunft soll das Labor um eine EEG-Apparatur erweitert werden.

 

Die Studie wurde in Kooperation mit der FU Berlin (Prof. Michael Niedeggen) durchgeführt. Der Artikel ist unter dem folgenden Link öffentlich abrufbar: www.sciencedirect.com.

Dr. Jana Holtmann zur Professorin für Psychologische Methodenlehre berufen

Prof. Jana Holtmann
Prof. Jana Holtmann

Die PHB heißt Prof. Dr. Jana Holtmann herzlich willkommen, die zum 1. Oktober 2020 die Berufung zur Professorin für Psychologische Methodenlehre angenommen hat!

 

Prof. Holtmann hat Psychologie, Neurowissenschaften und Statistik an der Freien Universität Berlin und der Humboldt Universität Berlin studiert. Anschließend arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin der FU Berlin an Modellen zur Veränderungsmessung in der Wohlbefindensforschung. In ihrer daran anknüpfenden Dissertation hat sie verschiedene Multilevel-Strukturgleichungsmodelle für längsschnittliche Multitrait-Multimethod Daten entwickelt, die es erlauben, die Validität in der Messung von Stabilität, Variabilität und Veränderung mehrerer psychologischer Konstrukte über die Zeit zu untersuchen.

 

An der PHB möchte Prof. Holtmann künftig einerseits Forschungskooperationen aufbauen und den Studierenden an der PHB andererseits die Relevanz und Rolle psychologischer Methoden und statistischer Verfahren für die psychologische Forschung und Praxis nahebringen und das Interesse der Studierenden für diese Themen wecken.

 

„Wir freuen uns sehr, dass Prof. Jana Holtmann ab dem Wintersemester die Professur für Psychologische Methodenlehre übernimmt“, so Prof. Dr. Siegfried Preiser, Rektor der PHB. „Im Berufungsverfahren hat sie gleichermaßen ihre hervorragende wissenschaftliche Kompetenz und die exzellente Qualität ihrer Lehre demonstriert. Die Studierenden konnte Frau Holtmann außerdem bereits im vergangenen Sommersemester als Lehrbeauftragte fachlich und didaktisch überzeugen. Wir freuen uns auf Prof. Holtmann als eine wesentliche wissenschaftliche und persönliche Bereicherung unseres Teams“.

FPFL: Internationales Symposium zur Familienrechtspsychologie an der PHB gegründet

Die Familienrechtspsychologie ist eine Teildisziplin der Rechtspsychologie, die an staatlichen Universitäten in Deutschland bisher nicht mit eigenen Lehrstühlen vertreten ist. Gleichwohl wird von juristischen und psychologischen Verbänden seit Jahren darauf hingewiesen, dass eine Standardisierung familienrechtlicher Gutachten dringend notwendig ist. Als deutschlandweit erste Universität hat die PHB vor diesem Hintergrund 2018 eine Juniorprofessur für Familienrechtspsychologie eingerichtet, die von Prof. Dr. Jelena Zumbach geführt wird. Um den Austausch von familienrechtspsychologischen Forschenden und Praktiker*innen auf internationaler Ebene zu fördern, hat Prof. Zumbach nun ein neues Symposium ins Leben gerufen: das International Symposium Forensic Psychology in Family Law (FPFL). Das Symposium wird erstmals am 28. Oktober mit einem Gastvortrag von Dr. Taina Laajasalo von der Universität Helsinki stattfinden. Wir haben Prof. Jelena Zumbach zu den Hintergründen und Zielen des Symposiums befragt:

Prof. Dr. Jelena Zumbach

Liebe Frau Zumbach, Sie haben vor kurzem das International Symposium Forensic Psychology in Family Law (FPFL) initiiert. Wie sind Sie auf die Idee dazu gekommen?

Die Idee entstand nach einem Keynote-Vortrag von Prof. Dr. Michael Saini (University of Toronto, Canada), den er im Rahmen der PHB-Vortragsreihe „Vielfalt der Rechtspsychologie“ im Juni 2020 gehalten hat. In diesem Vortrag hat Prof. Saini unter anderem thematisiert, wie sich Online-Methoden in die psychologische Diagnostik von Gerichtsgutachtern in familienrechtspsychologischen Fragen integrieren lassen – ein Thema, was im Rahmen der Coronakrise viele von uns Praktikern und Wissenschaftlern beschäftigt. Mehr als 150 Personen aus verschiedenen europäischen Ländern, den USA und Kanada haben den Vortrag besucht. Es ist im Anschluss an den Vortrag eine sehr interessante Diskussion unter den Teilnehmenden darüber entstanden, wie aktuelle und immer wiederkehrende Herausforderungen im Begutachtungskontext in verschiedenen Ländern angegangen werden und welche Rolle Forschung hierbei spielen kann. Ein Forum für einen solchen internationalen Austausch mit wissenschaftlichem Hintergrund gab es bislang nicht.

 

Was sind vor diesem Hintergrund die Ziele, die Sie mit dem Symposium verfolgen?

Ich habe das FPFL initiiert, um Praktiker und Wissenschaftler auf dem Feld der Familienrechtspsychologie aus verschiedenen Ländern zu vernetzen, praktische Erfahrungen auszutauschen und wissenschaftliche Erkenntnisfortschritte aus einer internationalen Perspektive zu diskutieren. Zu jeder Session wird eine international bekannte Referentin oder Referent zu einem bestimmten Thema einen Forschungsüberblick geben. Alle unsere Keynote Speaker kombinieren Forschungserfahrung mit einem praktischen Hintergrund. Im Anschluss an die Vorträge bieten wir viel Zeit für Diskussion unter den Teilnehmenden. Das Teilen von Praxiserfahrungen zu der Frage, wie in verschiedenen Ländern mit Herausforderungen umgegangen wird, ist ausdrücklich erwünscht. So können wir uns nicht nur untereinander kennenlernen und unser Netzwerk um viele Kontakte erweitern, sondern auch voneinander lernen, etablierte Strukturen in unserem jeweiligen Land überdenken und neue Ideen entwickeln.

 

Für die erste Veranstaltung am 28. Oktober haben Sie Dr. Taina Laajasalo aus Helsinki als Gastrednerin eingeladen. Können Sie etwas zum Inhalt der Veranstaltung erzählen?

Dr. Taina Laajasalo ist Adjunct Professor an der University of Helsinki in Finnland. Aktuell arbeitet sie als Spezialistin am Finnish Institue of Health and Welfare mit dem Ziel, kinderfreundliche, evidenzbasierte Justizverfahren sowie Interventionen und Hilfsangebote für Kinder, die Gewalt erlebt haben, zu entwickeln. Wir kennen uns durch Aktivitäten der European Association of Psychology and Law und es besteht bereits seit einigen Jahren eine Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Rechtspsychologie an der PHB.

Im Rahmen unseres Symposiums wird Dr. Taina Laajasalo zum Thema aufkommender Missbrauchsvorwürfe von Kindern in sorge- und umgangsrechtlichen Verfahren referieren. In Fällen, in denen es beispielsweise um den Lebensort des Kindes oder den Umgang mit einem getrenntlebenden Elternteil geht, kommen nicht selten Vorwürfe auf, ein Kind sei durch einen Elternteil missbraucht oder misshandelt worden. Diese Fälle stellen eine besondere Herausforderung für Gutachterinnen und Gutachter dar. Dr. Taina Laajasalo wird unter anderem darüber sprechen, wie diagnostisch vorgegangen werden kann, um substantielle von nicht-substantiellen Vorwürfen zu unterscheiden. Sie wird einen Überblick über die einschlägige Forschung auf dem Feld geben, einschließlich Studien zu Substantiierungsquoten, Entfremdung und Befragung von Kindern. Sie wird erläutern, wie forschungsbasierte Praktiken für den Umgang mit diesen hochkomplexen und herausfordernden Fällen aufgebaut werden können und welche Erfahrungen sie hiermit in Finnland gesammelt hat.

Zur Veranstaltung

Dr. Taina Laajasalo
(University of Helsinki,  Finnish Institue of Health and Welfare)

„Child Abuse Allegations in Custody Evaluations“

28. Oktober 2020 | 18 Uhr (UCT + 1) via ZoomMehr Informationen »

Onlinestudie: Wie können Befragungen mit Jugendlichen bei Verdacht auf Misshandlung unterstützend gestaltet werden?

Unter Leitung von Prof. Dr. Renate Volbert findet an der PHB aktuell eine Onlineumfrage für Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren statt. Die Studie soll helfen Wege zu finden, wie Befragungssituationen für Jugendliche, die möglicherweise eine Misshandlung erlitten haben, weniger belastend gestaltet werden können.

 

Jedes Jahr werden in Deutschland viele Kinder und Jugendliche misshandelt und nach einer Offenbarung zu den Erlebnissen befragt. Um die Befragungen weniger belastend zu gestalten, wurden Leitfäden speziell für die Befragung von Kindern und Jugendlichen bei Verdacht auf Misshandlung entwickelt. Einer ist das R-NICHD (http://nichdprotocol.com/). Durch die Benutzung dieses Leitfadens sollen Kinder und Jugendliche durch die befragende Person emotional unterstützt und vor suggestiven Einflüssen geschützt werden.

 

In einer Voruntersuchung mit Erwachsenen wurde bereits herausgefunden, dass dies für viele Techniken des R-NICHDs der Fall ist – aber nicht für alle. Wie dies Jugendliche selbst einschätzen, soll nun in einer Onlinestudie eruiert werden.

 

In der Studie sollen sich die Jugendlichen gedanklich in eine Situation versetzen, in der sie befragt werden, weil der Verdacht einer körperlichen Misshandlung besteht. Die Jugendlichen werden gefragt, welche Befragungsformen sie in einer solchen Situation als unterstützend empfinden und welche nicht.

 

Zur Umfrage

 

Leiten Sie gern den Flyer zu unserer Studie an Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahre weiter. Ansprechpartnerin für Fragen zu dem Projekt ist Frau Dipl.-Psych. Anett Tamm.

Neue PHB-Studie: Covid-19 und COPD – Alltag, psychisches Befinden und Lebensqualität

Prof. Nikola Stenzel

Mitten in der Covid-19-Pandemie startet an der PHB unter der Leitung von Prof. Nikola Maria Stenzel eine groß angelegte, interdisziplinäre Studie, die sich an Patienten richtet, die an chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) leiden.

 

Im Rahmen der Studie soll untersucht werden, welche Folgen die Pandemie für den Alltag, das psychische Befinden und die Lebensqualität der Betroffenen hat. Das Forscherteam möchte herausfinden, welche Themen COPD-Betroffene in Bezug auf die Pandemie besonders bewegen und welche spezifischen Bedürfnisse COPD-Betroffene in dieser besonderen Zeit haben. Die Studie wird durchgeführt von der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB), der Schön Klinik Berchtesgadener Land, der Patientenorganisation Lungenemphysem-COPD Deutschland, des COPD – Deutschland e.V., der Philipps Universität Marburg und dem Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL).

 

Die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) betrifft weltweit mehrere Millionen Menschen – mit steigender Tendenz. Eine COPD-Erkrankung schränkt den Handlungsspielraum der Betroffenen deutlich ein und hat oft weitreichende Auswirkungen auf Alltag und Lebensqualität der PatientInnen. Zusätzlich berichten Betroffene immer wieder von psychischen Beeinträchtigungen. In der Covid-19-Pandemie gehören COPD-Patient*innen zu einer der Risikogruppen, da sie nach einer Infektion mit SARS-CoV-2-Viren für einen schweren Verlauf von Covid-19 gefährdet sind.

 

Die Studie wird online durchgeführt, die Teilnahme ist selbstverständlich anonym. Die gewonnen Erkenntnisse sollen so schnell wie möglich dazu beitragen, den gesamten Behandlungsprozess von COPD-Patienten weiter zu optimieren.

 

Hier geht’s zur Umfrage:
https://www.lungenemphysem-copd.de/informationen/online-studien

Gerechtigkeitsempfinden bei Kindern: Ergebnisse einer Studie der PHB und der Uni Konstanz

Prof. Dr. Rebecca Bondü

Erwachsene Menschen unterscheiden sich darin, wie wichtig ihnen Gerechtigkeit ist und wie stark negativ sie auf Ungerechtigkeit reagieren – kurz: wie hoch ihre Ungerechtigkeitssensibilität ist. Doch gibt es diese Unterschiede auch schon bei Kindern? Und ist Ungerechtigkeitssensibilität bei Kindern überhaupt schon zuverlässig messbar? Diese und weitere Fragen hat sich ein Forschungsteam an der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB) und der Universität Konstanz unter Leitung von Prof. Dr. Rebecca Bondü gestellt und 361 Kinder und ihre Eltern daraufhin befragt.

 

Die Ergebnisse bieten nun spannende neue Einblicke in die frühe Entwicklung gerechtigkeitsbezogener Persönlichkeitsmerkmale. Denn individuelle Unterschiede in der Ungerechtigkeitssensibilität können tatsächlich schon zwischen 6 und 10 Jahren zuverlässig erfasst werden, sowohl durch Befragungen der Kinder selbst als auch von deren Eltern. Die individuelle Bedeutsamkeit von Gerechtigkeit prägt sich somit wohl schon früh aus und nimmt daher womöglich frühzeitig und langfristig Einfluss auf Erleben und Verhalten.

 

Für die Forscher besonders interessant war, dass sie schon im mittleren Kindesalter eine ähnliche Struktur von Ungerechtigkeitssensibilität wie im Erwachsenenalter vorfanden. So zeigten Kinder, denen insbesondere die gerechte Behandlung anderer wichtig ist, mehr prosoziales Verhalten und höhere soziale Kompetenzen als die, denen dies nicht so wichtig ist. Kinder, die sich selbst oft benachteiligt fühlen, denen Gerechtigkeit also insbesondere für sich selbst wichtig ist, zeigten hingegen mehr aggressives und weniger prosoziales Verhalten, als Kinder, die nicht dazu neigen, sich selbst ungerecht behandelt zu fühlen. Diese Kinder zeigten nach Angaben der Eltern zudem eine höhere Neigung, mit negativen Emotionen, insbesondere mit Ärger zu reagieren. Ungerechtigkeitssensibilität ist also schon im Kindesalter messbar und potentiell verhaltenswirksam.

 

Die Studienergebnisse werden in Kürze im Journal of Personality Assessment veröffentlicht werden. Der Artikel ist online verfügbar unter: https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/00223891.2020.1753754 (Strauß, S., Bondü, R. & Roth, F. (2020). Justice sensitivity in middle childhood: Measurement and location in the temperamental and competencies space. Journal of Personality Assessment. doi:10.1080/00223891.2020.1753754. Online ahead of print.)

 

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Berufsbild Rechtspsychologie: Interview mit PHB-Alumnus Patrick Kreidler

Welche Tätigkeitsfelder gibt es im Bereich Rechtspsychologie? Wie sehen die Aufgaben im Einzelnen aus? In der Reihe „Berufsbild Rechtspsychologie“ befragen wir Praxisvertreter*innen zu ihrem Berufsalltag, um so ein genaueres Bild von den vielfältigen Tätigkeitsbereichen zu erhalten. Patrick Kreidler hat 2019 den postgradualen Studiengang M.Sc. Rechtspsychologie an der PHB abgeschlossen und arbeitet seitdem selbstständig als Sachverständiger im Familienrecht. Wir haben mit ihm über seinen Weg, seine Motivation und Herausforderungen seiner Arbeit gesprochen.

Herr Kreidler, warum haben Sie sich auf Familienrecht spezialisiert?

Das Familienrecht stellt Sachverständige vor viele unterschiedliche Fragestellungen und Fallkonstellationen. Das macht die Arbeit einerseits komplex, andererseits aber auch abwechslungsreich und spannend. Gerade zu Beginn stellt die Familienrechtspsychologie einen immer wieder vor Herausforderungen, was ich aber als Chance begriffen habe, mir eine breite Basis an Kompetenzen und Fachwissen anzueignen.

 

Im Masterstudiengang Rechtspsychologie an der PHB habe ich die Schwerpunkte Familienrechtliche Begutachtung und Glaubhaftigkeitsbegutachtung belegt, wobei mein Interesse beiden Schwerpunkten gleichermaßen galt und bis heute noch für beide Bereiche besteht. Ich plane daher, die Erfahrung aus den zurückliegenden Jahren im Familienrecht zu nutzen und damit zeitnah auch in der Glaubhaftigkeitsbegutachtung tätig zu werden.

 

Können Sie uns Ihren Weg zu Ihrem heutigen Beruf kurz skizzieren?

Zur Rechtspsychologie bin ich über ein freiwilliges Seminar während meines Bachelorstudiums an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf gekommen, in dem die Sachverständigentätigkeit am Beispiel der Glaubhaftigkeitsbegutachtung vorgestellt wurde. Nach meinem Masterstudium der Psychologie habe ich bereits für ein Jahr angestellt als Sachverständiger im Familienrecht gearbeitet und mich schließlich mit dem berufsbegleitenden Studium an der PHB noch fundierter mit der Rechtspsychologie auseinandergesetzt.

 

Das Rechtspsychologie-Studium an der PHB betrachte ich rückblickend als zentralen und wichtigsten Bestandteil meiner Berufsvorbereitung. Die Inhalte wurden gut strukturiert und praxisnah vermittelt, sodass ich diese unmittelbar in meiner beruflichen Tätigkeit anwenden konnte. Das spezifische psychologische Wissen zu familienrechtlichen, aber auch straf- und sozialrechtlichen Fragestellungen wird in regulären Masterstudiengängen nicht in dem Umfang vermittelt, dass ein Berufseinstieg im Anschluss verantwortungsvoll möglich wäre. Eine zielgerichtete Fortbildung halte ich, auch aufgrund der hohen Verantwortung, die mit dem Beruf einhergeht, für unbedingt notwendig.

 

Der Studiengang Rechtspsychologie an der PHB ist hierfür eine sehr gute Wahl. Viele der Dozentinnen und Dozenten waren auf ihre eigene Art inspirierend. Alle haben gemeinsam, dass sie mit Leidenschaft und echtem Interesse ihr Fachgebiet unterrichten. Im Familienrecht sind mir insbesondere die Seminare mit Herrn Dr. Kindler sehr positiv in Erinnerung geblieben; die Inhalte haben nach wie vor großen Einfluss auf meine Arbeit und die Gestaltung meiner Gutachten. Auch die Einblicke von Dozenten verwandter Professionen, etwa Juristen, Richter oder Mitarbeiter des Jugendamts waren sehr wertvoll.

 

Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag als familienrechtspsychologischer Sachverständiger aus?

Der Arbeitsalltag lässt sich in Termine (Gespräche, Interaktionsbeobachtungen, Anhörungstermine bei Gericht, etc.) einerseits und „Schreibtischarbeit“ andererseits einteilen. Termine mit den Verfahrensbeteiligten finden sowohl in meinen Räumlichkeiten als auch in den Haushalten der Familien, beim Jugendamt oder auch an dritten Orten statt. Die Arbeit am Schreibtisch bezieht sich auf alle Phasen der Gutachtenerstellung, von der Untersuchungsplanung über die Ergebnisdarstellung bis hin zur Ausformulierung des Befunds. Allgemeine Bürotätigkeiten, organisatorische und finanzielle Angelegenheiten runden den Arbeitsalltag ab.

 

In meiner Tätigkeit bearbeite ich Fragestellungen zur Erziehungsfähigkeit von Eltern, zur Regelung der elterlichen Sorge und zum Umgangsrecht, wobei alle drei Fragestellungen etwa zu gleichen Anteilen auftreten.

 

Was begeistert Sie an Ihrer Arbeit?

Vor allem die Gelegenheit, mit Menschen aus allen Lebenslagen, mit verschiedenen kulturellen Hintergründen und aus allen sozialen Schichten arbeiten zu dürfen. Die Familien gewähren mir als fremder Person dabei meist sehr tiefe und intime Einblicke in ihr Leben, was ich zu respektieren weiß. Am Ende jedes Gutachtens steht die Hoffnung, mit einer fundierten und wohlüberlegten Empfehlung den Lebensweg der betroffenen Kinder positiv beeinflussen zu können.

 

Was sind die größten Herausforderungen in Ihrem Beruf?

Familienrechtliche Verfahren sind in aller Regel von sehr starken Emotionen der Beteiligten geprägt. Dies macht den Beruf einerseits greifbar und echt, andererseits aber auch herausfordernd. Oftmals sind nicht alle Beteiligten mit dem Ergebnis des Gutachtens zufrieden und einverstanden, selten werden einem auch von Beginn an Skepsis und Ablehnung entgegengebracht. In manchen Fallkonstellationen muss leider auch das Fazit gezogen werden, dass es kaum noch eine „gute“ Lösung für das betreffende Kind bzw. die betreffenden Kinder gibt.

 

Wie bewahren Sie sich in einem oft emotional belastenden Arbeitsfeld Ihre eigene Resilienz?

Im Arbeitsalltag vergegenwärtige ich mir immer wieder meine Rolle und Aufgabe, aber auch die der weiteren Verfahrensbeteiligten. Kritik, Skepsis und Ablehnung betreffen meist nicht mich als Person, sondern meine Aufgabe als Sachverständiger. Den eigenen Bias, der eine objektive Beurteilung verfärben kann, gilt es sich immer wieder bewusst zu machen und so zu minimieren.

 

Abseits der Arbeit, im Privatleben, schaffe ich entsprechenden Ausgleich durch Sport und Freizeitgestaltung, um „den Kopf freizubekommen“.

 

Welche Tipps haben Sie für rechtspsychologisch interessierte Studierende?

Eine fundierte Fortbildung halte ich für zentral, wofür ich ein Studium an der PHB uneingeschränkt empfehlen kann. Praktika gewähren darüber hinaus wichtige Einblicke in den Arbeitsalltag und die Herangehensweise der Sachverständigen. Dabei wird man auf teilweise große Unterschiede treffen – mein Tipp ist hier, sich nicht verunsichern zu lassen und selbstbewusst den Weg zu gehen, den man für sich gefunden hat. Als Praxispartner der PHB biete ich interessierten Studierenden die Möglichkeit, durch Praktika einen Einblick in die familienrechtliche Begutachtung zu bekommen.

 

Wie können Interessierte mit Ihnen in Kontakt treten?

Am besten bin ich per E-Mail unter pk@kreidler-rechtspsychologie.de zu erreichen.

Möchten auch Sie und Ihr Beruf in einem Interview vorgestellt werden?
Ihre Erfahrungen und Einblicke in die Praxis sind für unsere Studierenden inspirierend und hilfreich.
Melden Sie sich gern via alumni@phb.de

Systemische Therapie: PHB begrüßt neuen Schwerpunktleiter

Die Psychologische Hochschule Berlin heißt Josua Handerer als neuen Schwerpunktleiter für die neue Approbationsausbildung in Systemischer Therapie herzlich willkommen!

 

Als Psychologischer Psychotherapeut mit verhaltenstherapeutischer und systemischer Ausbildung ist Josua Handerer seit mehreren Jahren an der Oberbergklinik Berlin-Brandenburg tätig. Seine Ausbildung hat er unter anderem an der PHB absolviert, wo er seit einiger Zeit auch Dozent ist. Auf die Frage, was ihn an der systemischen Therapie fasziniere, sagt Handerer, es sei unter anderem die „radikale Ressourcenorientierung“ systemischen Denkens sowie das theoretische Fundament, das mit Konstruktivismus und Kybernetik sowohl der komplexen Realität menschlichen Erlebens gerecht werde als auch die Basis für verblüffend einfache Interventionen liefere. „Systemisches Denken und Handeln geht allerdings weit über die Anwendung therapeutischer Tools hinaus“, erklärt er weiter. „Für mich bedeutet es, die eigenen Annahmen immer wieder neugierig infrage zu stellen, verschiedene Perspektiven gleichberechtigt nebeneinander stehen zu lassen und stets offen zu bleiben für unerwartete und kreative Lösungen. Ich freue mich sehr darauf, meine Begeisterung für diesen aufregenden Ansatz an andere weiterzugeben.“

 

Als Schwerpunktleiter des neuen Ausbildungsganges wird Josua Handerer die systemische Therapie als vierte Approbationsausbildung an der PHB mit aufbauen.

 

Zur Person:

Josua Handerer hat Psychologie, Theologie und Germanistik in Eichstätt, Würzburg und Wien studiert. Er ist systemischer Berater und Therapeut (Helm Stierlin Institut Heidelberg) und psychologischer Psychotherapeut mit der Fachkunde Verhaltenstherapie, die er an der PHB absolviert hat. Neben verschiedenen Weiterbildungen, u.a. in klinischer Hypnose bei Gunther Schmidt und IRRT bei Mervyn Schmucker, verfügt er über eine Zulassung als Gruppentherapeut. Beruflich arbeitet er seit mehreren Jahren als Psychotherapeut an der Oberbergklinik Berlin-Brandenburg. Darüber hinaus bietet er ambulante Psychotherapien an und ist u.a. für die PHB als Dozent tätig.

 

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Qualität in der Psychotherapie: (Wie) kann man sie messen?

Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind laut ihrer Berufsordnung dafür verantwortlich, dass ihre Berufsausübung aktuellen Qualitätsanforderungen entspricht. Hierzu haben sie angemessene qualitätssichernde Maßnahmen zu ergreifen. Doch herrscht keine Einigkeit darüber, wie solche Maßnahmen genau beschaffen sein sollen. In einer Veranstaltung der Psychotherapeutenkammer Berlin wird Prof. Dr. Frank Jacobi, Prorektor der PHB und Leiter der Approbationsausbildung in Verhaltenstherapie, gemeinsam mit Kollegen über Möglichkeiten, Chancen und Risiken von Qualitätssicherungsmaßnahmen in der Psychotherapie diskutieren.

 

Ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung in der Psychotherapie ist seit langer Zeit ein Antrags- und Gutachterverfahren, bei dem sowohl die schriftlich ausgearbeitete Falldarstellung als auch die Therapieplanung erst genehmigt werden müssen, bevor die Therapie starten kann. Dieses Verfahren soll jedoch 2022 abgeschafft und durch neue Qualitätssicherungsmethoden ersetzt werden. Hierzu bestehen allerdings einige Zweifel innerhalb der Profession: Können Fragebogenwerte zum Ergebnis einer Psychotherapie die Individualität von Patientinnen und Patienten angemessen abbilden? Wie weit soll und darf die Kontrolle einzelner Behandler/innen gehen? Und wie können nicht nur patientenseitige, sondern auch therapeutenseitige Daten geschützt werden? Wäre nicht eine selbst durchgeführte interne Qualitätssicherung im freien, selbstständigen akademischen Heilberuf Psychotherapie angemessener als eine verordnete Kontrolle anhand vorgegebener Qualitätsindikatoren? Oder muss aus Gründen des Patientenschutzes unbedingt eine entsprechende externe Kontrolle durch die Kostenträger oder andere administrative Stellen gewährleistet werden?

 

Die Psychotherapeutenkammer Berlin veranstaltet zu diesen Fragen am 4. März 2020 eine Diskussionsrunde unter dem Titel „Qualität in der Psychotherapie – (Wie) kann man sie messen?“. In diesem Rahmen werden unter anderem Prof. Dr. Frank Jacobi (PHB) und Prof. Dr. Cord Benecke (Universität Kassel) über Möglichkeiten, Chancen und Risiken von Qualitätssicherungsmaßnahmen in der Psychotherapie referieren und diskutieren.

 

Veranstaltungsdetails:
Mittwoch, 4.3.20, 19:30
Ort: International Psychoanalytic University (IPU), Stromstrasse 2, 10555 Berlin

Dokumentation der Veranstaltung 

Approbationsordnung: PHB steht weiter für Verfahrensvielfalt

Nach der Verabschiedung der Approbationsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (PsychThApprO) durch den Bundesrat hat der Bundesminister für Gesundheit Jens Spahn mit Datum vom 4. März 2020 die Appobationsordnung mit den im Bundesrat beschlossenen Änderungen endgültig in Kraft gesetzt und am 12. März 2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

 

Wie sich schon im Vorfeld angekündigt hatte, ist in der nun verabschiedeten Approbationsordnung eine breite Verfahrensvielfalt in der universitären Ausbildung nicht in der vielfach geforderten Verbindlichkeit vorgesehen. So ist zwar vorgeschrieben, dass Prüfer*innen im Rahmen der Approbationsprüfung unterschiedliche Verfahren repräsentieren müssen. Im Studium selbst jedoch ist die Lehre durch ausgebildete Vertreter verschiedener psychotherapeutischer Verfahren nach wie vor nicht erforderlich.

 

In der Vergangenheit hatte dies zur Folge, dass andere Verfahren als die Verhaltenstherapie – so etwa psychodynamische Verfahren oder die systemische Therapie – in der universitären Lehre stark unterrepräsentiert waren.

 

Obwohl sich Vertreter fast aller psychotherapeutischen – auch verhaltenstherapeutischer – Verbände im Vorfeld für eine stärker verpflichtende Verfahrensvielfalt ausgesprochen hatten, stellt die Approbationsordnung hier keine Weichen für eine Änderung in der Hochschullandschaft. „Die PHB sieht sich einer gleichberechtigten Verfahrensvielfalt in der Lehre jedoch auch in Zukunft verpflichtet und wird auch im Rahmen des künftigen Psychotherapiestudiums alle wissenschaftlich anerkannten Verfahren gleichberechtigt lehren“, so Kanzler Dr. Günter Koch, zu den Plänen an der PHB.