Herzlich willkommen an der PHB: Carola Cropp auf Professur für Klinische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie berufen

Porträt von Prof. Carola Cropp
Prof. Carola Cropp

Die Psychologische Hochschule Berlin (PHB) heißt Dr. Carola Cropp herzlich willkommen, die zum 1. Oktober 2025 den Ruf auf die Professur für Klinische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie angenommen hat. Mit ihrer langjährigen Erfahrung in Wissenschaft und klinischer Praxis wird sie das Profil der PHB im Bereich Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie erweitern und auch den Aufbau einer Psychotherapeutischen Hochschulambulanz für Kinder und Jugendliche mitgestalten.

 

Der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeit von Carola Cropp liegt in praxisorientierter Forschung im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. Sie verbindet dabei empirische Forschung mit der klinischen Anwendung psychodynamischer Verfahren. Ihre aktuellen Forschungsinteressen umfassen unter anderem die Wirksamkeit psychodynamischer Psychotherapien im Kindes- und Jugendalter, Störungen der Persönlichkeitsentwicklung bei Kindern und Jugendlichen sowie altersspezifische interpersonelle Fähigkeiten in der psychotherapeutischen Arbeit.

 

 

Beruflicher Werdegang

Nach dem Abschluss ihres Psychologiestudiums war Carola Cropp viele Jahre an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des Asklepios Fachklinikums Tiefenbrunn tätig. Dort war sie sowohl wissenschaftlich – unter anderem in Projekten zur Wirksamkeit psychodynamischer Therapien im Kindes- und Jugendalter sowie zur Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik – als auch klinisch in der ambulanten und stationären psychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen tätig.

 

Parallel promovierte sie an der Universität Kassel und absolvierte ihre Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin mit psychodynamischer Ausrichtung am Lou Andreas-Salomé Institut Göttingen. Nach der Promotion setzte sie ihre wissenschaftliche Laufbahn als Post-Doc an der Universität Kassel fort, wo sie ihre Forschungsschwerpunkte weiter ausbaute – insbesondere im Bereich datengestützter Qualitätssicherung und interpersoneller Fähigkeiten in der psychotherapeutischen Arbeit. Zuletzt war sie Vertretungsprofessorin für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie und -psychotherapie an der Universität Greifswald.

 

Verbindung von Forschung und klinischer Praxis

Als zentralen Bestandteil ihrer Arbeit beton Carola Cropp die enge Verbindung von Forschung und klinischer Praxis. An der PHB möchte sie diese Verbindung weiter stärken, Studierende für die psychotherapeutische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen begeistern und die Verfahrensvielfalt in der Lehre fördern: „Mir ist es ein besonderes Anliegen, Forschung, Lehre und klinische Praxis eng miteinander zu verzahnen – um Studierende bestmöglich auf die vielfältigen Anforderungen der psychotherapeutischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vorzubereiten“, so Cropp. Ein weiteres wichtiges Ziel ist für sie der Aufbau einer Psychotherapeutischen Hochschulambulanz für Kinder und Jugendliche.

Prävention von Partnerschaftsgewalt und Intimiziden: Schulungen zur Risikoanalyse mit GATE-RAI an der PHB

Jeden Tag wird in Deutschland ein Mensch im Rahmen von Partnerschaftsgewalt Opfer eines versuchten Tötungsdelikts, alle drei Tage endet eine solche Tat tödlich. Diese Zahlen machen deutlich, wie wichtig es ist, Warnsignale frühzeitig zu erkennen und richtig einzuordnen.Genau hier setzt das Risikoanalyseinstrument GaTe-RAI (Gefährdungsanalyse Tötungsdelikte in Partnerschaft und Familie) an, das von Prof. Dr. Rebecca Bondü, Professorin für Entwicklungs-, Pädagogische und Familienpsychologie an der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB), und ihrem Team entwickelt wurde. An der PHB werden in den nächsten Monaten Schulungen für interessierte Fachkräfte angeboten, die beruflich mit häuslicher Gewalt in Kontakt kommen. Der erste Termin findet am 24. November 2025 ab 09:30 Uhr statt. 

Prof. Rebecca Bondü
Prof. Rebecca Bondü

 GaTe-RAI ist ein empirisch fundiertes Risikoanalyseinstrument zur Einschätzung des Risikos einer potentiellen Tötung im partnerschaftlichen Kontext (Intimizid), das im Rahmen des durch das BMBF geförderten Verbundprojekts „Polizeiliche Gefährdungsanalysen zu Tötungsdelikten in Partnerschaft und Familie“ (GaTe) entwickelt wurde. Anders als bislang bestehende Risikoanalyseinstrumente im Bereich Intimizide beziehen sich die Kriterien in GaTe-RAI auf beobachtbare Inhalte und Merkmale von Leaking – also Tatankündigungen oder andere Verhaltensweisen, die auf eine Tatabsicht hinweisen können – sowie andere Warnsignale und mögliche Auslöser. Es schließt damit deutlich mehr als die bisher berücksichtigten Risikofaktoren ein. GaTe-RAI kann auf Personen in bestehenden oder ehemaligen Beziehungen sowie auf Männer und Frauen angewendet werden und weist gute Kennwerte auf. Auf Grundlage empirischer Forschung hilft GaTe-RAI so Fachkräften in polizeilichen, sozialpädagogischen oder psychologischen Kontexten, Risikofaktoren umfassend und systematisch zu bewerten. Ziel ist es, drohende Intimizide frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.

 

In den kommenden Monaten bietet die Forschungsgruppe unter Leitung von Prof. Bondü nun eine Schulungen zu GaTe-RAI an, in der das Instrument vorgestellt und praktisch eingeübt wird. Die Schulungen richten sich an Fachkräfte, die beruflich mit häuslicher Gewalt in Berührung kommen – etwa in Polizei, Frauen- und Männerhäusern, Jugendämtern, Täter*innenarbeit oder in psychologischen und psychotherapeutischen Kontexten. „Viele Taten kündigen sich an – entscheidend ist, dass Fachkräfte wissen, worauf sie achten müssen,“ so Prof. Dr. Rebecca Bondü zum Ziel der Schulung. „Wenn Leaking-Phänomene und andere Warnsignale richtig erkannt und eingeordnet werden, können Interventionen rechtzeitig erfolgen – bevor aus Warnsignalen Gewalt wird.“

 

Die erste Schulung findet am 24. November 2025 von 09:30 bis ca. 17:30 Uhr in den Räumen der PHB (Am Köllnischen Park 2, 10179 Berlin) statt. Die Teilnahmegebühr beträgt 125 €, für Verpflegung ist gesorgt. Anmeldungen sind über das folgende Formular möglich!

Zur Anmeldung

„Es braucht Raum für echte menschliche Begegnung – gerade in ihrer Begrenztheit“: Deutschlandweite Studie zu Konflikten in der Psychotherapie

Spannungen, Konflikte oder gar Krisen gehören zur Realität zwischenmenschlicher Beziehungen – auch in der Psychotherapie. Doch wie kann man im therapeutischen Rahmen professionell mit ihnen umgehen? Wie lassen sie sich frühzeitig erkennen – und wie kann man sie zur Vertiefung und Verbesserung des therapeutischen Prozesses nutzen? Ein groß angelegtes, deutschlandweites Forschungsprojekt unter der Leitung von Prof. Dr. Antje Gumz und finanziert von der DFG widmet sich genau diesen Fragen. Etwa 150 Psychotherapeut*innen in Ausbildung, 300 Patient*innen und 40 Supervisorinnen aus insgesamt 17 Ausbildungsinstituten nehmen an der Studie teil. Im Zentrum steht das Modifizierte Allianz‑Fokussierte Training mit Doppeln (MAFT-D) – ein innovatives Trainingsprogramm, das Psychotherapeut*innen schulen soll, spannungsreiche Beziehungssituationen frühzeitig zu erkennen und konstruktiv zu bearbeiten. Im Interview gibt Prof. Gumz Einblick in die Hintergründe und Ziele des Forschungsprojekts.

Prof. Dr. Antje Gumz
Prof. Dr. Antje Gumz

PHB: Frau Prof. Gumz, Sie forschen seit mehr als 20 Jahren zum Thema Spannungen und Krisen im psychotherapeutischen Prozess – wie sind Sie eigentlich zu diesem Thema gekommen?

Prof. Antje Gumz:  Mich hat schon immer fasziniert, wie frühe Beziehungserfahrungen unser aktuelles Verhalten prägen – oft wiederholen sich ja schwierige Muster. In der Psychotherapie liegt darin eine große Chance: Wenn es gelingt, solche Beziehungserfahrungen in der Psychotherapie zu reproduzieren, sie zu verstehen und zu bearbeiten, können tiefgreifende Veränderungen entstehen. Aus dieser Faszination heraus habe ich meine primäre Therapieausbildung in den beiden psychodynamischen Verfahren absolviert.

Am Uniklinikum Leipzig haben wir damals – vor inzwischen mehr als 20 Jahren – bereits systematisch Therapiesitzungen evaluiert und erforscht, was sich in therapeutischen Beziehungen zeigt. Wir haben Verwicklungen in Therapiebeziehungen in den Blick genommen und haben Therapiebeziehungen auch mit Fragebogenerhebungen evaluiert. Das war sehr innovativ für die damalige Zeit!

Später habe ich eine Ausbildung in Systemischer Therapie angeschlossen, wo die Vorstellung ja theoretisch sehr verankert ist, dass nichtlineare Dynamiken in Psychotherapien auftreten können. Das bedeutet, dass Veränderung im psychotherapeutischen Prozess nicht gleichmäßig, sondern sprunghaft und unvorhersehbar erfolgen kann. In meiner Forschung habe ich ein Modell entwickelt, das die Theorie nichtlinearer dynamischer Systeme auf die therapeutische Beziehung überträgt. Es zeigt, dass es nicht möglich ist sich Verwicklungen in der therapeutischen Beziehung zu entziehen und dass Spannungen und Krisen unvermeidlich sind. Es zeigt aber auch, dass sie zugleich eine Chance bieten, sie beispielhaft für außertherapeutische Beziehungsmuster zu verstehen und aufzulösen.

 

PHB: Was genau ist das Modifizierte AllianzFokussierte Training mit Doppeln (MAFT-D) und was macht es aus Ihrer Sicht besonders geeignet, um einen professionellen Umgang mit Spannungen und Krisen zu erlernen und zu trainieren?

Prof. Antje Gumz: Das MAFT-D geht zurück auf ein amerikanisches Modell, das Allianzfokussierte Training, das wir für die deutsche Ausbildung angepasst haben. Mit dem Verfahren üben Therapeut*innen eigene Affekte im Zusammenhang mit Spannungen und Krisen sensibler wahrzunehmen, zu regulieren und in einer hilfreichen Art zu kommunizieren. Sie erspüren also die Muster der Beziehungsgestaltung und üben, mit hilfreichen Worten zu beschreiben, was sie erspüren. Zentral ist dabei die Arbeit mit Videoaufzeichnungen und Rollenspielen und es werden auch Achtsamkeitsübungen durchgeführt. Mithilfe von Rollenspielen, Videoaufzeichnungen und der Technik des ‚Doppelns‘ wird weniger theoretisiert und stärker erlebt – so wird der Umgang mit schwierigen Situationen greifbar und trainierbar.

 

PHB: Was bedeutet der Begriff Doppeln in dem Zusammenhang?

Prof. Antje Gumz: Therapeut*innen neigen dazu zu rationalisieren oder zu intellektualisieren, wenn sie über ihre Patienten sprechen. Das kann ich gut nachvollziehen, aber als Supervisorin habe ich mich oft gefragt: wie bekomme ich einen Bezug zu dem, was gefühlt wird. Ich habe deswegen begonnen, Therapeuten zu bitten, das, was sie fühlen, nur noch über die Technik des Doppelns zur Verfügung zu stellen. Beim Doppeln formuliert eine zweite Person – zum Beispiel ein*e Supervisor*in – das, was unausgesprochen im Raum steht. Sie gibt den unausgesprochenen Gefühlen oder Gedanken eine Stimme, so als spräche sie stellvertretend für Patient*in oder Therapeut*in. Das macht Spannungen unmittelbar erfahrbar und erleichtert, neue Sichtweisen einzunehmen. Diese Technik stammt ursprünglich aus dem Psychodrama und hat sich im Training als sehr wirksam erwiesen, weil sie den emotionalen Kern eines Problems direkt sichtbar macht.

 

PHB: In welcher Form und mit welchem Ziel erforschen Sie das Thema im Rahmen Ihres neuen Forschungsprojekts?

Prof. Antje Gumz: Wir prüfen in unserer großen, deutschlandweiten Studie, ob unser Trainingsprogramm die Ausbildung von Psychotherapeut*innen verbessert. Wir führen das Projekt in Kooperation mit 17 Ausbildungsinstituten deutschlandweit durch – insgesamt sind 150 Psychotherapeut*innen in Ausbildung, 300 Patient*innen und 40 Supervisor*innen beteiligt. Es handelt sich um eine methodisch hoch komplexe aufwändige Studie. Ich habe ein wirklich tolles Forschungsteam, auf das ich sehr stolz bin.

Mit unseren Forschungen messen wir, ob sich Symptome und Beziehungsfähigkeit von Patient*innen verbessern, deren Therapeut*innen das Modifizierte Allianz‑Fokussierte Training erhalten, und ob es zu weniger Therapieabbrüchen kommt. Außerdem messen wir, ob die Therapeut*innen selbst sich verändern und ihre Kompetenzen im Umgang mit Krisen oder Konflikten zunehmen.

 

PHB: Was erhoffen Sie sich von der Studie – wie könnten Patient*innen und Therapeut*innen davon profitieren?

Prof. Antje Gumz: Das Projekt befasst sich mit einem für den Therapiealltag sehr relevanten Thema. Wir wünschen uns, dass das Training langfristig zu einer besseren Ausbildung und zu erfolgreicheren Therapien führt. Erste Rückmeldungen von Supervisor*innen und Therapeut*innen sind sehr positiv – viele erleben die Arbeit als bereichernd. Wichtig ist uns auch, ein Bewusstsein für die eigene Fehlbarkeit zu schaffen und eine offene, tolerante Haltung im Umgang mit Unsicherheiten und Fehlern zu fördern.

 

PHB: Was wünschen Sie sich persönlich, wenn Sie an die Zukunft der psychotherapeutischen Ausbildungen denken?

Prof. Antje Gumz: Ich wünsche mir, dass das, was in der therapeutischen Beziehung auf der nonverbalen Ebene passiert – also das, was subtil mitschwingt zwischen Therapeut*innen und Patient*innen – einen zentralen Platz bekommt. Aus meiner Sicht liegt hier ein großes diagnostisches und therapeutisches Potential. Dazu gehört auch das, was wir mit dem Modifizierten Allianz-Fokussierten Training schulen möchten: eine Haltung, bei der emotionale Verbundenheit im Vordergrund steht und bei der sich Therapeut*innen nach dieser emotionalen Verbundenheit suchend ihren Patient*innen im Hier und Jetzt authentisch und neugierig zuwenden.

Ich wünsche mir auch, dass die Anteile der Therapeuten an entstehenden Spannungen und Krisen in der Therapiebeziehung einen größeren Raum bekommen. Nicht nur in der Selbsterfahrung, sondern auch in Seminaren und der Supervision. Aus meiner Erfahrung ist es äußerst nützlich, immer mitzufragen: Was hat eine Spannung mit Vulnerabilitäten einer Psychotherapeut*in zu tun – also mit ihren eigenen wunden Punkten, mit früheren Beziehungserfahrungen oder bislang unerfüllten Bedürfnissen? Das hilft Therapeut*innen, mit eigenen Schwierigkeiten oder Fehlern und Begrenzungen offener umzugehen, weil sie unzweifelhaft wissen, dass wir alle davon betroffen sind.

In dem Kontext wäre auch mein Wunsch, dass stärker vermittelt wird, dass wir immer subjektiv und aufgrund unserer eigenen Beziehungserfahrungen auf Patient*innen reagieren. Weitergedacht bedeutet das, dass es keine wirklich objektive Wahrheit darüber gibt, was Patient*innen in uns auslösen und wie wir damit umgehen sollten. Nur wenn wir als Lehrende und Supervisor*innen das im Hinterkopf behalten, kann es Psychotherapeut*innen in Ausbildung gelingen, Vertrauen in die eigenen Gefühle und Affekte zu gewinnen und stärker mit ihnen in der therapeutischen Beziehung zu arbeiten.

Und ein letzter Wunsch: wir leben in Zeiten der Ökonomisierung, der Effizienz und scheinbar unbegrenzter technischer Möglichkeiten. Gerade deshalb braucht es Räume für echte menschliche Begegnung. Ich wünsche ich mir, dass zukünftige Ausbildungen diesen Kern der Psychotherapie bewahren und stärken: die echte, menschliche Begegnung – gerade in ihrer Begrenztheit.

Zur Person

Prof. Antje Gumz ist Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie ausgebildete Psychoanalytikerin und systemische Therapeutin. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich seit mehreren Jahrzehnten mit der Frage, was psychotherapeutische Kompetenzen ausmacht und wie sie gefördert werden können. Für ihre Forschungen hat sie 2023 den Heigl-Preis, den höchstdotierten Preis in der psychosomatischen Medizin erhalten. An der PHB leitet sie Ausbildungsstudiengang in Tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie.

Weitere Infos

PHB unterstützt Stellungnahme von DGPs und unith zum Gesetzesentwurf zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege

Ein Visual zur Psychotherapeutengesetzreform und der neuen WeiterbildungDie Psychologische Hochschule Berlin (PHB) begrüßt gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) und dem Verbund universitärer Ausbildungsgänge für Psychotherapie (unith) die Anerkennung der psychotherapeutischen Weiterbildung im aktuellen Entwurf des Gesetzes zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege (BEEP). Der Entwurf stellt einen wichtigen Schritt dar, um die rechtliche Stellung der Weiterbildungsambulanzen zu stärken und die psychotherapeutische Weiterbildung strukturell abzusichern.

 

Zugleich schließt sich die PHB der Einschätzung von DGPs und unith e.V. an, dass die geplanten Regelungen noch nicht weit genug gehen. Damit die hohe Qualität in der Ausbildung und die psychotherapeutische Versorgung langfristig gesichert werden können, müssen die Kosten für Supervision, Theorie und Selbsterfahrung verbindlich in die Finanzierung einbezogen werden. Ohne diese Berücksichtigung droht eine fortbestehende strukturelle Unterfinanzierung, die faire Vergütungen für Weiterbildungsteilnehmende und ein flächendeckendes Angebot an Weiterbildungsstellen gefährdet.

 

Die PHB teilt die Einschätzung der Fachverbände, dass nur eine umfassende und nachhaltige Finanzierung aller Bestandteile der Weiterbildung sicherstellen kann, dass die Reform der Psychotherapeutenausbildung ihr Ziel erreicht: eine qualitativ hochwertige, flächendeckende und zukunftssichere psychotherapeutische Versorgung in Deutschland.

 

Weitere Informationen zur gemeinsamen Stellungnahme finden Sie auf der Website von unith.

Berufsbild Rechtspsychologie: Interview mit PHB-Alumnus und Sachverständigem im Familienrecht Patrick Kreidler

Welche Tätigkeitsfelder gibt es im Bereich Rechtspsychologie? Wie sehen die Aufgaben im Einzelnen aus? In der Reihe „Berufsbild Rechtspsychologie“ befragen wir Praxisvertreter*innen zu ihrem Berufsalltag, um so ein genaueres Bild von den vielfältigen Tätigkeitsbereichen zu erhalten. Patrick Kreidler hat 2019 den postgradualen Studiengang M.Sc. Rechtspsychologie an der PHB abgeschlossen und arbeitet seitdem selbstständig als Sachverständiger im Familienrecht. Wir haben mit ihm über seinen Weg, seine Motivation und Herausforderungen seiner Arbeit gesprochen.

Herr Kreidler, warum haben Sie sich auf Familienrecht spezialisiert?

Das Familienrecht stellt Sachverständige vor viele unterschiedliche Fragestellungen und Fallkonstellationen. Das macht die Arbeit einerseits komplex, andererseits aber auch abwechslungsreich und spannend. Gerade zu Beginn stellt die Familienrechtspsychologie einen immer wieder vor Herausforderungen, was ich aber als Chance begriffen habe, mir eine breite Basis an Kompetenzen und Fachwissen anzueignen.

 

Im Masterstudiengang Rechtspsychologie an der PHB habe ich die Schwerpunkte Familienrechtliche Begutachtung und Glaubhaftigkeitsbegutachtung belegt, wobei mein Interesse beiden Schwerpunkten gleichermaßen galt und bis heute noch für beide Bereiche besteht. Ich plane daher, die Erfahrung aus den zurückliegenden Jahren im Familienrecht zu nutzen und damit zeitnah auch in der Glaubhaftigkeitsbegutachtung tätig zu werden.

 

Können Sie uns Ihren Weg zu Ihrem heutigen Beruf kurz skizzieren?

Zur Rechtspsychologie bin ich über ein freiwilliges Seminar während meines Bachelorstudiums an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf gekommen, in dem die Sachverständigentätigkeit am Beispiel der Glaubhaftigkeitsbegutachtung vorgestellt wurde. Nach meinem Masterstudium der Psychologie habe ich bereits für ein Jahr angestellt als Sachverständiger im Familienrecht gearbeitet und mich schließlich mit dem berufsbegleitenden Studium an der PHB noch fundierter mit der Rechtspsychologie auseinandergesetzt.

 

Das Rechtspsychologie-Studium an der PHB betrachte ich rückblickend als zentralen und wichtigsten Bestandteil meiner Berufsvorbereitung. Die Inhalte wurden gut strukturiert und praxisnah vermittelt, sodass ich diese unmittelbar in meiner beruflichen Tätigkeit anwenden konnte. Das spezifische psychologische Wissen zu familienrechtlichen, aber auch straf- und sozialrechtlichen Fragestellungen wird in regulären Masterstudiengängen nicht in dem Umfang vermittelt, dass ein Berufseinstieg im Anschluss verantwortungsvoll möglich wäre. Eine zielgerichtete Fortbildung halte ich, auch aufgrund der hohen Verantwortung, die mit dem Beruf einhergeht, für unbedingt notwendig.

 

Der Studiengang Rechtspsychologie an der PHB ist hierfür eine sehr gute Wahl. Viele der Dozentinnen und Dozenten waren auf ihre eigene Art inspirierend. Alle haben gemeinsam, dass sie mit Leidenschaft und echtem Interesse ihr Fachgebiet unterrichten. Im Familienrecht sind mir insbesondere die Seminare mit Herrn Dr. Kindler sehr positiv in Erinnerung geblieben; die Inhalte haben nach wie vor großen Einfluss auf meine Arbeit und die Gestaltung meiner Gutachten. Auch die Einblicke von Dozenten verwandter Professionen, etwa Juristen, Richter oder Mitarbeiter des Jugendamts waren sehr wertvoll.

 

Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag als familienrechtspsychologischer Sachverständiger aus?

Der Arbeitsalltag lässt sich in Termine (Gespräche, Interaktionsbeobachtungen, Anhörungstermine bei Gericht, etc.) einerseits und „Schreibtischarbeit“ andererseits einteilen. Termine mit den Verfahrensbeteiligten finden sowohl in meinen Räumlichkeiten als auch in den Haushalten der Familien, beim Jugendamt oder auch an dritten Orten statt. Die Arbeit am Schreibtisch bezieht sich auf alle Phasen der Gutachtenerstellung, von der Untersuchungsplanung über die Ergebnisdarstellung bis hin zur Ausformulierung des Befunds. Allgemeine Bürotätigkeiten, organisatorische und finanzielle Angelegenheiten runden den Arbeitsalltag ab.

 

In meiner Tätigkeit bearbeite ich Fragestellungen zur Erziehungsfähigkeit von Eltern, zur Regelung der elterlichen Sorge und zum Umgangsrecht, wobei alle drei Fragestellungen etwa zu gleichen Anteilen auftreten.

 

Was begeistert Sie an Ihrer Arbeit?

Vor allem die Gelegenheit, mit Menschen aus allen Lebenslagen, mit verschiedenen kulturellen Hintergründen und aus allen sozialen Schichten arbeiten zu dürfen. Die Familien gewähren mir als fremder Person dabei meist sehr tiefe und intime Einblicke in ihr Leben, was ich zu respektieren weiß. Am Ende jedes Gutachtens steht die Hoffnung, mit einer fundierten und wohlüberlegten Empfehlung den Lebensweg der betroffenen Kinder positiv beeinflussen zu können.

 

Was sind die größten Herausforderungen in Ihrem Beruf?

Familienrechtliche Verfahren sind in aller Regel von sehr starken Emotionen der Beteiligten geprägt. Dies macht den Beruf einerseits greifbar und echt, andererseits aber auch herausfordernd. Oftmals sind nicht alle Beteiligten mit dem Ergebnis des Gutachtens zufrieden und einverstanden, selten werden einem auch von Beginn an Skepsis und Ablehnung entgegengebracht. In manchen Fallkonstellationen muss leider auch das Fazit gezogen werden, dass es kaum noch eine „gute“ Lösung für das betreffende Kind bzw. die betreffenden Kinder gibt.

 

Wie bewahren Sie sich in einem oft emotional belastenden Arbeitsfeld Ihre eigene Resilienz?

Im Arbeitsalltag vergegenwärtige ich mir immer wieder meine Rolle und Aufgabe, aber auch die der weiteren Verfahrensbeteiligten. Kritik, Skepsis und Ablehnung betreffen meist nicht mich als Person, sondern meine Aufgabe als Sachverständiger. Den eigenen Bias, der eine objektive Beurteilung verfärben kann, gilt es sich immer wieder bewusst zu machen und so zu minimieren.

 

Abseits der Arbeit, im Privatleben, schaffe ich entsprechenden Ausgleich durch Sport und Freizeitgestaltung, um „den Kopf freizubekommen“.

 

Welche Tipps haben Sie für rechtspsychologisch interessierte Studierende?

Eine fundierte Fortbildung halte ich für zentral, wofür ich ein Studium an der PHB uneingeschränkt empfehlen kann. Praktika gewähren darüber hinaus wichtige Einblicke in den Arbeitsalltag und die Herangehensweise der Sachverständigen. Dabei wird man auf teilweise große Unterschiede treffen – mein Tipp ist hier, sich nicht verunsichern zu lassen und selbstbewusst den Weg zu gehen, den man für sich gefunden hat. Als Praxispartner der PHB biete ich interessierten Studierenden die Möglichkeit, durch Praktika einen Einblick in die familienrechtliche Begutachtung zu bekommen.

 

Wie können Interessierte mit Ihnen in Kontakt treten?

Am besten bin ich per E-Mail unter pk@kreidler-rechtspsychologie.de zu erreichen.

Möchten auch Sie und Ihr Beruf in einem Interview vorgestellt werden?
Ihre Erfahrungen und Einblicke in die Praxis sind für unsere Studierenden inspirierend und hilfreich.
Melden Sie sich gern via alumni@phb.de

Psychotherapie-Versorgung: Ohne Finanzierung der Weiterbildung droht der Kollaps

Ein Visual zur Psychotherapeutengesetzreform und der neuen WeiterbildungDie Psychologische Hochschule Berlin (PHB) schließt sich der deutlichen Warnung von unith e.V. an:
Die strikte Ablehnung des GKV-Spitzenverbands, sich an den Kosten der neuen Weiterbildung zu beteiligen, gefährdet die psychische Gesundheitsversorgung von morgen.

 

„Ohne eine solide Finanzierung der Weiterbildung werden wir in wenigen Jahren nicht mehr genug Fachkräfte haben, um den steigenden Bedarf an Psychotherapie zu decken“, warnt die Hochschulleitung der PHB. Die neue Weiterbildung setzt voraus, dass angehende Psychotherapeut*innen in Vollzeit angestellt und fair vergütet werden – ein Anspruch, der im aktuellen Vergütungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung nicht abgebildet ist.

 

Dringender Handlungsbedarf

Die PHB fordert:

  • Verlässliche Finanzierung der Weiterbildung
    Ohne gesicherte Mittel wird es nicht genügend Weiterbildungsplätze geben – schon jetzt übersteigt der Bedarf an Psychotherapie deutlich das bestehende Angebot.
  • Realistische Rahmenbedingungen schaffen
    Das GKV-Positionspapier blendet die wirtschaftliche Realität der Weiterbildungsinstitute aus. Es ignoriert die Voraussetzungen, unter denen psychotherapeutischer Nachwuchs überhaupt ausgebildet werden kann.
  • Gesetzliche Klarheit herstellen
    Es braucht eindeutige Regelungen, die Zuständigkeiten und Finanzierungspflichten für Hochschulen, Institute und Kostenträger verbindlich festlegen. Nur so kann die Weiterbildung planbar und fair umgesetzt werden.

 

Die PHB bekräftigt: Eine zukunftsfähige psychotherapeutische Versorgung beginnt mit einer gerechten Finanzierung der Weiterbildung – und die Notwendigkeit dafür besteht jetzt.

Ausschreibung: Drei neue Deutschlandstipendien für PHB-Studierende gestiftet

Ausschreibung der Deutschlandstipendien an der PHBFür das Hochschuljahr 2025/26 schreibt die Psychologische Hochschule Berlin (PHB) wieder drei Deutschlandstipendien aus, die an Studierende der PHB vergeben werden. Interessierte Studierende können sich bis zum 31. Juli für ein Stipendium bewerben.

 

Das Deutschlandstipendium ist eine gezielte Förderung, mit der Studierende über zwei Semester monatlich 300 Euro erhalten – eine Förderung, die Freiräume zum Lernen oder für die Teilnahme an zusätzlichen Workshops ermöglichen soll. Die PHB möchte mit den Stipendien dazu beitragen, den finanziellen Druck zu mindern, der aus Kosten für den Lebensunterhalt sowie aus Studiengebühren resultiert. Wie schon in den vergangenen Jahren wird ein Deutschlandstipendium durch den Verein der Freunde und Förderer der Psychologischen Hochschule Berlin finanziert. Zwei weitere Stipendien werden durch die Deutsche Apotheker und Ärztebank und das Bildungsunternehmen bcc-beratung.coaching.concept gestiftet.

Bewerbungen können bis zum 31. Juli 2025 an Rektor Prof. Dr. Siegried Preiser unter rektor@phb.de gerichtet werden.

 

An dieser Stelle herzlichen Dank an die Stifter*innnen unserer Stipendien!

 

Deutsche Apotheker und Ärztebank (apoBank)

 

 

 

bcc-beratung.coaching.concept.

Weitere Informationen

Herzlichen Glückwunsch: Vier PHB-Absolventinnen bestehen die neue Approbationsprüfung

Im April 2025 haben vier Absolventinnen der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB) erfolgreich die Approbationsprüfung im Rahmen des neuen Psychotherapeutengesetzes bestanden: Frau Kathrin Fischer, Frau Jacobina Blüm, Frau Katharina Jaenicke und Frau Lena Jaeschke. Herzlichen Glückwunsch!
Wir gratulieren den vier Absolventinnen und teilen an dieser Stelle einige ihrer Erfahrungen. 

 

Alle vier haben den Masterstudiengang Psychologie: Klinische Psychologie und Psychotherapie (M.Sc.) an der PHB absolviert und dürfen sich nun approbierte Psychotherapeutinnen nennen. Die Approbationsprüfung bildet den Abschluss der universitären Phase der neuen psychotherapeutischen Ausbildung. Im Unterschied zum vorherigen Ausbildungssystem kann sich zur neuen Approbationsprüfung anmelden, wer ein psychologisches Bachelor- und Masterstudium erfolgreich abgeschlossen hat, das den Voraussetzungen des reformierten Psychotherapeutengesetzes entspricht. Im Anschluss dürfen Absolvent*innen sich als Psychotherapeut*in bezeichnen.

 

Die neue Approbationsprüfung gliedert sich in zwei Teile, die an unterschiedlichen Tagen stattfinden: eine mündlich-praktische Fallprüfung sowie die sogenannte „Anwendungsorientierte Parcoursprüfung“ (AOPP). In der AOPP steht weniger reines Theorieabfragen im Vordergrund – vielmehr werden hier konkrete fachliche Kompetenzen geprüft. Die Prüfung umfasst insgesamt fünf Stationen von jeweils 20 Minuten, in denen mit Simulationspatient:innen gearbeitet wird. Die mündlich-praktische Fallprüfung findet als Einzelprüfung statt und dauert etwa 45 Minuten. Anhand einer zuvor erstellten Patientenanamnese werden sowohl fachliches Wissen als auch psychotherapeutisches Handeln und Denken überprüft.

 

Effiziente Strategien bei knappem Zeitrahmen
Kathrin Fischer hat ihre Prüfungsvorbereitung unter besonderen Bedingungen organisiert – sie reichte ihre Masterarbeit erst eine Woche vor der ersten Prüfung ein. „Ich hatte sehr wenig Zeit zum Lernen und bin trotzdem durchgekommen“, erzählt sie. Der Schlüssel: eine strukturierte Planung, Wiederholung des ICD-10, das gezielte Lernen einzelner Leitlinien und eine kreative Methode: „Ich habe mir Formulierungen zur Patientenaufklärung mit der Memo-Funktion meines Handys selbst aufgenommen, sodass ich sie unterwegs hörend wiederholen konnte.“

 

Zur mündlichen Prüfung gibt sie folgenden Rat: „Ich habe unterschätzt, dass in der mündlichen Prüfung die Anamnese auch aus TP-Perspektive beleuchtet wird. Das würde ich – inklusive OPD – im Nachhinein deutlich genauer lernen.“ Auch eine gute Dokumentation während der Praktika sei wichtig, um später auf vollständige Anamnesen zurückgreifen zu können.

 

In der Vorbereitung war vor allem auch eines hilfreich gewesen: Rollenspiele mit verschiedenen Personen. Alle vier Absolventinnen hatten sich in den Monaten vor der Prüfung regelmäßig zu Lerngruppen getroffen. Neben dem Austausch über die Lerninhalte übten sie auch gemeinsam die Patienteninteraktion in Rollenspielen.

 

Theorie, Praxis und persönliche Entwicklung
Die Erfahrungen der Absolventinnen zeigen: Die neue Approbationsprüfung fordert nicht nur fachliches Wissen, sondern auch Flexibilität, Selbsterfahrung und die Fähigkeit, unter Druck professionell zu handeln.

 

Die PHB gratuliert Frau Fischer, Frau Blüm, Frau Jaenicke und Frau Jaeschke herzlich zur bestandenen Approbationsprüfung – und wünscht ihnen alles Gute für den Berufseinstieg in die psychotherapeutische Praxis. Ihr Weg steht stellvertretend für eine neue Generation von Psychotherapeut:innen, die praxisnah, reflektiert und engagiert in ihren Beruf starten.

Leaking: Können Warnsignale helfen, Terroranschläge zu verhindern? Interview mit Prof. Rebecca Bondü

Mannheim, Magdeburg, Aschaffenburg, München und Wien: in den vergangenen Monaten wurde eine erschreckend hohe Anzahl terroristischer Attentate verübt. Dabei zeigt sich immer wieder: Viele dieser Taten werden nicht ohne Vorzeichen begangen – Gewalttäter*innen hinterlassen oft Hinweise auf ihre Absichten. Dieses Phänomen wird als „Leaking“ bezeichnet. Prof. Dr. Rebecca Bondü, Professorin für Entwicklungs-, Pädagogische und Familienpsychologie und Leiterin des M.Sc. Psychologie: Rechtspsychologie, erforscht dieses Thema seit vielen Jahren. Im Interview erläutert sie die Ergebnisse ihrer Forschung und ihre Bedeutung für die Prävention von terroristischen Attentaten:

Prof. Rebecca Bondü
Prof. Rebecca Bondü

PHB: Frau Prof. Bondü – was genau versteht man unter dem Begriff Leaking?

Prof. Rebecca Bondü: Unter Leaking versteht man alle Äußerungen oder Verhaltensweisen, mit denen eine Person auf Ideen, Fantasien, positive Bewertung oder Pläne für eine schwere Gewalttat hinweist, die von Außenstehenden zumindest potentiell beobachtet werden können und die es noch erlauben würden, zu intervenieren. Zu Leaking zählen also beispielsweise Äußerungen zu einer Tatplanung im direkten Kontakt oder im Internet, Rechtfertigungen früherer Taten oder beobachtbare Tatvorbereitungen.

 

PHB: Und wie häufig kommt es vor, dass Täter*innen solche Ankündigungen oder Hinweise hinterlassen?

Rebecca Bondü: Das ist natürlich einerseits abhängig von der einzelnen Person aber auch von der Art der Gewalttat, um die es sich handelt. Im Falle von terroristischen Taten beispielsweise, insbesondere islamistisch motivierten terroristischen Taten, konnte Leaking in fast allen Fällen im Vorfeld der Tat beobachtet werden. Hinzu kamen weitere Warnsignale. Vor Partnerschaftstötungen kam Leaking nicht ganz so regelmäßig vor. In beiden Tatbereichen konnten wir aber bestimmte Merkmale und Inhalte von Leaking und anderen Warnsignalen identifizieren, die zuverlässig auf eine spätere Tatausführung hindeuteten und die genutzt werden können, um das Tatrisiko abzuschätzen. Diese Befunde haben wir in die beiden Risikoanalyseinstrumente LATERAN-IT zu islamistisch motivierten terroristischen Taten und GaTe-RAI zu Partner:innentötungen integriert.

 

PHB: Gibt es typische Muster und Warnsignale bei Menschen, auf die man achten sollte?

Prof. Rebecca Bondü: Ja, bestimmte Formen, Merkmale und Inhalte von Leaking und anderen Warnsignalen deuten auf ein erhöhtes Tatrisiko hin. Die genauen Merkmalskonstellationen sind dabei auch vom konkreten Deliktbereich abhängig. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass Tatvorbereitungen, Ankündigungen gegenüber Dritten oder auffällige Verhaltensänderungen Aufmerksamkeit verdienen, insbesondere wenn diese gehäuft auftreten. Es ist daher wichtig nachzufragen, ob es womöglich noch mehr davon gibt, wenn man auf Leaking oder andere Warnsignale aufmerksam geworden ist. Denn diese können nicht einzeln und für sich genommen, sondern immer nur in der Gesamtschau betrachtet werden. Ziel ist immer, ein möglichst umfassendes Bild zu erhalten. Denn einzelne Signale bedeuten nicht automatisch, dass eine Tat geplant ist, und sie können auch auf ganz andere Problemlagen hinweisen.

 

PHB: Wie kann man reagieren, wenn man solche Anzeichen mitbekommt?

Prof. Rebecca Bondü: Es ist wichtig, solche Beobachtungen nicht einfach zu ignorieren. Gerade wenn man mitbekommt, dass es weitere Warnsignale gibt: wenn es also schon früher ähnliche Aussagen oder Ankündigungen gab. Oder wenn es andere auffällige Verhaltensänderungen gibt, die auf eine Tatbereitschaft hindeuten könnten. Dann sollten die relevanten Informationen an die verantwortlichen Polizeibehörden weitergegeben werden. Diese verfügen einerseits über die Expertise und wenn erforderlich über die rechtlichen Mittel, weitere Informationen einzuholen und ein Tatrisiko zu beurteilen.

 

PHB: Welche Herausforderungen und Potentiale sehen Sie für die Anwendung des Wissens zu Leakingphänomenen?

Prof. Rebecca Bondü: Das Phänomen Leaking ist leider noch nicht bekannt genug und auch die von der Wissenschaft entwickelten Bewertungskriterien müssen noch weitere Verbreitung finden. Das kann bei der adäquaten Einschätzung eines Falls sehr hilfreich sein. Die von uns erarbeiteten Kriterien und die Instrumente LATERAN-IT und GaTe-RAI fußen auf empirischen Daten und bieten somit objektive Entscheidungshilfen. Sie haben außerdem in den ersten Evaluationen gute Ergebnisse gezeigt. Trotzdem bleibt in der Interpretation dessen, was als Leaking betrachtet werden sollte und was nicht, immer ein Spielraum. In einigen Fällen sind Leaking und andere Warnsignale auch erst in der Rückschau eindeutig als solche erkennbar. Kein Risikoanalyseinstrument weist eine hundertprozentige Treffsicherheit auf.

 

PHB: Auf welche anderen Bereiche ist die Forschung an Leakingphänomenen übertragbar?

Prof. Rebecca Bondü: Leaking wurde bislang in den Bereichen School Shootings, Terrorismus und Partner:innentötungen untersucht. In allen diesen Deliktbereichen fanden sich zuverlässige Hinweise auf Leaking und seinen Beitrag zur Risikoeinschätzung. Insofern ist davon auszugehen, dass Leaking auch bei allen anderen zielgerichteten Gewalttaten eine Rolle spielen kann.

Zur Person

Prof. Dr. Rebecca Bondü leitet seit 2018 an der PHB den Fachbereich Entwicklungs-, Pädagogische und Familienpsychologie. Sie hat außerdem die Studiengangsleitung für den neuen M.Sc. Psychologie: Rechtspsychologie inne. In ihrer Forschung untersucht sie unter anderem seit vielen Jahren Leakingphänomene als Ansatzpunkte zur Prävention terroristischer oder anderer Gewalttaten. Die Forschungen wurden in Zusammenarbeit mit anderen Universitäten sowie Polizeibehörden durchgeführt.

Öffentliche Veranstaltung zum Thema

Prof. Dr. Rebecca Bondü: „Tötungsdelikte in Partnerschaft und Familie: Warnsignale und Prävention“

 

Öffentlicher Vortrag an der PHB
13. Mai 2025 ab Uhr
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Dem Gehirn bei der Arbeit zusehen: PHB startet eigenes EEG-Labor unter Leitung von Prof. Dr. Guido Hesselmann

Unter Leitung von Prof. Guido Hesselmann wurde im Januar an der PHB ein neues EEG-Labor eröffnet. Gefördert durch das Center for Open Science (COS) wurde hierzu das bestehende psychophysische Labor um eine EEG-Einheit erweitert. Damit können an der PHB nun auch Experimente und Studien durchgeführt werden, die Messungen von Gehirnaktivität beinhalten. Für dieses Jahr sind bereits zwei erste Forschungsprojekte geplant.

 

„Wir verfolgen vornehmlich zwei Ziele mit dem Labor“, so Prof. Guido Hesselmann zu den Hintergründen. „Einerseits haben wir in der Arbeitsgruppe spannende EEG-Experimente geplant, die psychologische Forschung an der PHB auf einer anderen Ebene als bisher ermöglichen werden. Außerdem wollen wir aber auch die Studierenden an psychologische Experimente heranführen, bei denen man mit dem EEG gewissermaßen dem Gehirn bei der Arbeit zuschauen kann. Perspektivisch wollen wir außerdem daran arbeiten, EEG-Forschung auch für Themen der klinischen Psychologie zu verwenden.“

Im Januar hat nun bereits ein Pilotexperiment für eins der beiden geplanten Forschungsprojekte begonnen. Charlott Wendt, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich, beschäftigt sich im Rahmen ihrer Dissertation mit der Gestaltung von Priming-Experimenten. Als Priming werden in der Psychologie Reize oder Erfahrungen verstanden, die darauf folgende Wahrnehmungsinhalte oder Verhaltensformen beeinflussen. „In meinem Projekt nehmen wir eine Mehraufgabenperspektive ein, weil uns interessiert, wie sich Eigenschaften der Prime-bezogenen Aufgabe auf die Target-bezogene Aufgabe auswirken.“, so Charlotte Wendt. „Ziel ist es, Empfehlungen zum Design solcher unbewussten Priming-Experimente aufzustellen.“

 

In einem zweiten Projekt beschäftigt sich Jonathan Buchholz, ebenfalls Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe, mit der Frage, wie das Gehirn arbeitet, wenn Menschen Vorhersagen treffen. „Unsere visuelle Wahrnehmung ähnelt weniger einer objektiven Abbildung der Realität, sondern mehr einer aktiven Konstruktion unserer eigenen Wirklichkeit.“, so Buchholz. „Während dieser Wirklichkeitskonstruktion generiert unser Gehirn kontinuierlich Vorhersagen auf unterschiedlichen Komplexitäts- und Abstraktionslevel. In meiner Forschung untersuche ich die rhythmischen Schwingungen des Gehirns (‚neuronale Oszillationen‘), während diese Vorhersagen generiert werden. Dabei interessieren mich besonders die Unterschiede neuronaler Oszillationen bei verschiedenen Arten von Vorhersagen.“ Das Projekt ist ebenfalls als Dissertationsprojekt angelegt und wird aus Mitteln der PHB gefördert. Die ersten Piloterhebungen starten im März.