DFG-Projekt: PROSPECT – Prognose kindeswohlgefährdenden Elternverhaltens
Leitung: Prof. Dr. Jelena Zumbach-Basu
Projektmitarbeitende: M.Sc. Lara Schwarz, M.Sc. Antonia Schubert
Laufzeit: 2023-2026
Ziel:
Die Tragweiten gerichtlicher Entscheidungen über zu ergreifende staatliche Schutzmaßnahmen in familienrechtlichen Verfahren bei drohender Kindeswohlgefährdung sind zweifellos sehr groß. Ein verpasster Eingriff zum Schutz des Kindes kann genauso schwerwiegende Folgen haben, wie eine fälschliche Herausnahme eines Kindes aus seiner Herkunftsfamilie. Psychologische Sachverständigeneinschätzungen können wichtige Erkenntnisse in den hier relevanten Kinderschutzverfahren liefern. Diese haben in der Regel auch ein hohes Gewicht bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung. Von Seiten der Wissenschaft wird jedoch unter anderem kritisiert, dass systematische Kenntnisse zur Reliabilität (Zuverlässigkeit) und Validität (Gültigkeit) von Kindeswohlprognosen durch psychologische Sachverständige und Familiengerichte noch an vielen Stellen fehlen. Entsprechende Erkenntnisse könnten jedoch wesentlich zur Verbesserung der Genauigkeit von Entscheidungen in Kinderschutzverfahren beitragen.
Ab September 2023 wird im Rahmen der PROSPECT-Studie die Reliabilität (Zuverlässigkeit) von psychologischen Sachverständigeneinschätzungen über künftig zu erwartende Kindeswohlgefährdungen untersucht. Weiter werden auch die darauf aufbauenden Entscheidungen von Familiengerichten in die Analyse einbezogen. Auf Basis von Gerichtsakten werden Kinderschutzfälle mittels eines strukturierten Prognoseinstruments re-analysiert. Hierzu wird, aufbauend auf international vorliegende Befunde, ein deutschsprachiges prognostisches Instrument zur Risikoeinschätzung von kindeswohlgefährdendem Elternverhalten (weiter-) entwickelt.
Ein weiterer Fokus der Studie liegt auf der Untersuchung der psychischen Gesundheit und sozialen Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen, die ein Kinderschutzverfahren durchlaufen. Es wird untersucht, wie diese Faktoren mit der Empfehlung von psychologischen Sachverständigen und mit den Entscheidungen der Familiengerichte über Kinderschutzmaßnahmen zusammenhängen. Im dritten Schritt wird analysiert, ob die Sachverständigenempfehlungen durch die Gerichte in der Praxis umgesetzt werden und welche Indikatoren die Gerichte ihrer Beschlussfassung zur Anordnung von Maßnahmen in der Praxis zugrunde legen.
Perspektivisch wird mit diesem Projekt der Grundstein für längsschnittliche Untersuchungen gelegt, die auch über den Abschluss von Kinderschutzverfahrens hinaus gehen. So können wichtige Erkenntnisse über die langfristigen Wirkungen der durch Familiengerichte beschlossenen Maßnahmen in Kinderschutzverfahren und deren Umsetzung erlangt werden. Es wird zunächst eine Datenbasis geschaffen, die den Ist-Zustand während des Kinderschutzverfahrens abbildet (Baseline), vor deren Hintergrund dann Daten, die in einer längsschnittlichen Erhebung nach Abschluss des Verfahrens erfasst werden, verglichen werden können. So kann geprüft werden, welche Wirkungen die getroffenen Maßnahmen auf die kindliche Entwicklung gezeigt haben, was wesentlich zur Beantwortung der Frage beiträgt, ob die richtigen Maßnahmen für das Kindeswohl ergriffen wurden.
Es wird eine empirisch-quantitative Originalstudie durchgeführt, in der eine Kombination aus einer empirischen Erhebung mittels psychologischer Screeningverfahren (Fragebogenverfahren) und einer Aktenanalyse zum Einsatz kommt. Die Studie wird durch das Bundesministerium der Justiz (BMJ) unterstützt.
Um diese Forderung nach Teilhabe ernsthaft umzusetzen, muss der Kindeswille im Rahmen von Sorge- und Umgangsrechtsentscheidungen sowie in Lebensortfragen im Rahmen von Kinderschutzverfahren Beachtung finden. Dabei stellen sich jedoch erhebliche Probleme in der Operationalisierung und Erfassung dieses Konstrukts sowie in der Bestimmung und Bewertung des geforderten Reifemerkmals. Empirisch-psychologische Erkenntnisse zur Entstehung, Äußerung oder operationalen Erfassung kindlicher Willensprozesse liegen bislang kaum vor.
Im Rahmen eines Pilotprojekts wurde in einem explorativen empirischen Ansatz untersucht, welche Strategien fünfjährige Kinder zum Ausdruck von Willenshaltungen zeigen und wie dies mit dem sozial-emotionalen und dem kognitiven Entwicklungsstand variiert (Zumbach, Saini & Koglin, 2021). Hierauf aufbauend wird in dem aktuellen Projekt die Forschung zu den Fragen ausgeweitet, 1) welche Strategien Kinder und Jugendliche in verschiedenen Altersgruppen zeigen, um einen Willen zum Ausdruck zu bringen, 2) wie sich diese Strategien erfassen lassen und 3) wie diese Strategien mit weiteren psychologischen Konstrukten, wie der emotionalen Kompetenz, Copingmechanismen, oder der Eltern-Kind-Beziehung im Zusammenhang stehen.
Publikationen:
Zumbach-Basu, J. (in Druck). Prognose kindeswohlgefährdenden Elternverhaltens durch Familiengerichte und psychologische Sachverständige – Konzeption und Vorgehensweise einer anlaufenden prospektiven Längsschnittstudie: Die PROSPECT-Studie. Neue Zeitschrift für Familienrecht.
Förderung:
Deutsche Forschungsgemeinschaft, Förderkennzeichen ZU 436/2-1, Fördervolumen 335.840 €
Kontakt:
j.zumbach@phb.de
Weitere Informationen unter:
https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/490929761