Paradigmenwechsel in der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen: Studie validiert Interview für das AMPD

Prof. Susanne Hörz Sagstetter
Prof. Susanne Hörz Sagstetter

In der Diagnostik und Klassifikation von Persönlichkeitsstörungen zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab – weg von kategorialen, hin zu dimensionalen Ansätzen. Das bedeutet, dass in der Diagnose nicht nur das Krankheitsbild einbezogen wird, das ein Mensch aufweist, sondern auch der Schweregrad, mit dem dieses Krankheitsbild ausgeprägt ist – bzw. das Funktionsniveau seiner Persönlichkeit.  Ein prominentes dimensionales Modell ist das Alternative DSM-5 Modell für Persönlichkeitsstörungen (AMPD), in welchem das Funktionsniveau der Persönlichkeit als zentrales Kriterium zur Bestimmung von Persönlichkeitsstörungen definiert wird. Mit dem Strukturierten Klinischen Interview für das AMPD – Modul I (SCID-5-AMPD-I) kann dieses Funktionsniveau einer Persönlichkeit erfasst werden. Unter Leitung von Prof. Dr. Susanne Hörz-Sagstetter hat ein Forschungsteam der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB) dieses Interview nun in deutscher Sprache validiert.

 

Die Validierungsstudie zu dem Interview wurde mit 121 Personen durchgeführt, die entweder in psychotherapeutischer Behandlung oder therapiesuchend waren. Die Ergebnisse zeigen, dass das SCID-5-AMPD-I hohe Zusammenhänge mit anderen Maßen für Persönlichkeitsstörungen aufweist und im Vergleich dazu verhältnismäßig kleinere Zusammenhänge mit Maßen für andere psychische Störungen (z. B. Depression, Angststörungen und Somatisierungsstörungen). Zudem konnte eine hohe Reliabilität – also Zuverlässigkeit – des Interviews  festgestellt werden. So kamen unabhängige Rater, die sich Videos von SCID-5-AMPD-I-Interviews angesehen haben, beispielsweise zu ähnlichen Ergebnissen. Faktorenanalysen legen nahe, dass das Konstrukt des Funktionsniveau der Persönlichkeit tatsächlich ein unidimensionales Konstrukt ist, was darauf hindeutet, dass alle Persönlichkeitsstörungen auf eine zugrundeliegende pathologische Struktur zurückgeführt werden können.

 

Die Studie bestätigt insgesamt, dass das SCID-5-AMPD-I ein geeignetes Instrument zur Erfassung des Funktionsniveaus der Persönlichkeit nach dem AMPD ist, womit Persönlichkeitsstörungen dimensional erfasst werden können. Sie stellt die bisher umfangreichste Validierung eines Interviews zur Erfassung des Funktionsniveaus der Persönlichkeit dar.

 

Die Befunde können nachgelesen werden bei Ohse, L., Zimmermann, J., Kerber, A., Kampe, L., Mohr, J., Kendlbacher, J., Busch, O., Rentrop, M., & Hörz-Sagstetter, S. (2022). Reliability, structure, and validity of module I (personality functioning) of the Structured Clinical Interview for the alternative DSM–5 model for personality disorders (SCID-5-AMPD-I). Personality Disorders: Theory, Research, and Treatment. Advance online publication. https://doi.org/10.1037/per0000576. http://dx.doi.org/10.1037/per0000576

 

Das Interview, das in dieser Studie validiert wurde, wird nun in einer weiteren Studie zur Untersuchung von Veränderungen des Funktionsniveaus der Persönlichkeit in ambulanten tiefenpsychologisch fundierten und verhaltenstherapeutischen Behandlungen eingesetzt.

Weitere Informationen