Herr Kreidler, warum haben Sie sich auf Familienrecht spezialisiert?
Das Familienrecht stellt Sachverständige vor viele unterschiedliche Fragestellungen und Fallkonstellationen. Das macht die Arbeit einerseits komplex, andererseits aber auch abwechslungsreich und spannend. Gerade zu Beginn stellt die Familienrechtspsychologie einen immer wieder vor Herausforderungen, was ich aber als Chance begriffen habe, mir eine breite Basis an Kompetenzen und Fachwissen anzueignen.
Im Masterstudiengang Rechtspsychologie an der PHB habe ich die Schwerpunkte Familienrechtliche Begutachtung und Glaubhaftigkeitsbegutachtung belegt, wobei mein Interesse beiden Schwerpunkten gleichermaßen galt und bis heute noch für beide Bereiche besteht. Ich plane daher, die Erfahrung aus den zurückliegenden Jahren im Familienrecht zu nutzen und damit zeitnah auch in der Glaubhaftigkeitsbegutachtung tätig zu werden.
Können Sie uns Ihren Weg zu Ihrem heutigen Beruf kurz skizzieren?
Zur Rechtspsychologie bin ich über ein freiwilliges Seminar während meines Bachelorstudiums an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf gekommen, in dem die Sachverständigentätigkeit am Beispiel der Glaubhaftigkeitsbegutachtung vorgestellt wurde. Nach meinem Masterstudium der Psychologie habe ich bereits für ein Jahr angestellt als Sachverständiger im Familienrecht gearbeitet und mich schließlich mit dem berufsbegleitenden Studium an der PHB noch fundierter mit der Rechtspsychologie auseinandergesetzt.
Das Rechtspsychologie-Studium an der PHB betrachte ich rückblickend als zentralen und wichtigsten Bestandteil meiner Berufsvorbereitung. Die Inhalte wurden gut strukturiert und praxisnah vermittelt, sodass ich diese unmittelbar in meiner beruflichen Tätigkeit anwenden konnte. Das spezifische psychologische Wissen zu familienrechtlichen, aber auch straf- und sozialrechtlichen Fragestellungen wird in regulären Masterstudiengängen nicht in dem Umfang vermittelt, dass ein Berufseinstieg im Anschluss verantwortungsvoll möglich wäre. Eine zielgerichtete Fortbildung halte ich, auch aufgrund der hohen Verantwortung, die mit dem Beruf einhergeht, für unbedingt notwendig.
Der Studiengang Rechtspsychologie an der PHB ist hierfür eine sehr gute Wahl. Viele der Dozentinnen und Dozenten waren auf ihre eigene Art inspirierend. Alle haben gemeinsam, dass sie mit Leidenschaft und echtem Interesse ihr Fachgebiet unterrichten. Im Familienrecht sind mir insbesondere die Seminare mit Herrn Dr. Kindler sehr positiv in Erinnerung geblieben; die Inhalte haben nach wie vor großen Einfluss auf meine Arbeit und die Gestaltung meiner Gutachten. Auch die Einblicke von Dozenten verwandter Professionen, etwa Juristen, Richter oder Mitarbeiter des Jugendamts waren sehr wertvoll.
Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag als familienrechtspsychologischer Sachverständiger aus?
Der Arbeitsalltag lässt sich in Termine (Gespräche, Interaktionsbeobachtungen, Anhörungstermine bei Gericht, etc.) einerseits und „Schreibtischarbeit“ andererseits einteilen. Termine mit den Verfahrensbeteiligten finden sowohl in meinen Räumlichkeiten als auch in den Haushalten der Familien, beim Jugendamt oder auch an dritten Orten statt. Die Arbeit am Schreibtisch bezieht sich auf alle Phasen der Gutachtenerstellung, von der Untersuchungsplanung über die Ergebnisdarstellung bis hin zur Ausformulierung des Befunds. Allgemeine Bürotätigkeiten, organisatorische und finanzielle Angelegenheiten runden den Arbeitsalltag ab.
In meiner Tätigkeit bearbeite ich Fragestellungen zur Erziehungsfähigkeit von Eltern, zur Regelung der elterlichen Sorge und zum Umgangsrecht, wobei alle drei Fragestellungen etwa zu gleichen Anteilen auftreten.
Was begeistert Sie an Ihrer Arbeit?
Vor allem die Gelegenheit, mit Menschen aus allen Lebenslagen, mit verschiedenen kulturellen Hintergründen und aus allen sozialen Schichten arbeiten zu dürfen. Die Familien gewähren mir als fremder Person dabei meist sehr tiefe und intime Einblicke in ihr Leben, was ich zu respektieren weiß. Am Ende jedes Gutachtens steht die Hoffnung, mit einer fundierten und wohlüberlegten Empfehlung den Lebensweg der betroffenen Kinder positiv beeinflussen zu können.
Was sind die größten Herausforderungen in Ihrem Beruf?
Familienrechtliche Verfahren sind in aller Regel von sehr starken Emotionen der Beteiligten geprägt. Dies macht den Beruf einerseits greifbar und echt, andererseits aber auch herausfordernd. Oftmals sind nicht alle Beteiligten mit dem Ergebnis des Gutachtens zufrieden und einverstanden, selten werden einem auch von Beginn an Skepsis und Ablehnung entgegengebracht. In manchen Fallkonstellationen muss leider auch das Fazit gezogen werden, dass es kaum noch eine „gute“ Lösung für das betreffende Kind bzw. die betreffenden Kinder gibt.
Wie bewahren Sie sich in einem oft emotional belastenden Arbeitsfeld Ihre eigene Resilienz?
Im Arbeitsalltag vergegenwärtige ich mir immer wieder meine Rolle und Aufgabe, aber auch die der weiteren Verfahrensbeteiligten. Kritik, Skepsis und Ablehnung betreffen meist nicht mich als Person, sondern meine Aufgabe als Sachverständiger. Den eigenen Bias, der eine objektive Beurteilung verfärben kann, gilt es sich immer wieder bewusst zu machen und so zu minimieren.
Abseits der Arbeit, im Privatleben, schaffe ich entsprechenden Ausgleich durch Sport und Freizeitgestaltung, um „den Kopf freizubekommen“.
Welche Tipps haben Sie für rechtspsychologisch interessierte Studierende?
Eine fundierte Fortbildung halte ich für zentral, wofür ich ein Studium an der PHB uneingeschränkt empfehlen kann. Praktika gewähren darüber hinaus wichtige Einblicke in den Arbeitsalltag und die Herangehensweise der Sachverständigen. Dabei wird man auf teilweise große Unterschiede treffen – mein Tipp ist hier, sich nicht verunsichern zu lassen und selbstbewusst den Weg zu gehen, den man für sich gefunden hat. Als Praxispartner der PHB biete ich interessierten Studierenden die Möglichkeit, durch Praktika einen Einblick in die familienrechtliche Begutachtung zu bekommen.
Wie können Interessierte mit Ihnen in Kontakt treten?
Am besten bin ich per E-Mail unter pk@kreidler-rechtspsychologie.de zu erreichen.