Gerechtigkeitsempfinden bei Kindern: Ergebnisse einer Studie der PHB und der Uni Konstanz

Prof. Dr. Rebecca Bondü

Erwachsene Menschen unterscheiden sich darin, wie wichtig ihnen Gerechtigkeit ist und wie stark negativ sie auf Ungerechtigkeit reagieren – kurz: wie hoch ihre Ungerechtigkeitssensibilität ist. Doch gibt es diese Unterschiede auch schon bei Kindern? Und ist Ungerechtigkeitssensibilität bei Kindern überhaupt schon zuverlässig messbar? Diese und weitere Fragen hat sich ein Forschungsteam an der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB) und der Universität Konstanz unter Leitung von Prof. Dr. Rebecca Bondü gestellt und 361 Kinder und ihre Eltern daraufhin befragt.

 

Die Ergebnisse bieten nun spannende neue Einblicke in die frühe Entwicklung gerechtigkeitsbezogener Persönlichkeitsmerkmale. Denn individuelle Unterschiede in der Ungerechtigkeitssensibilität können tatsächlich schon zwischen 6 und 10 Jahren zuverlässig erfasst werden, sowohl durch Befragungen der Kinder selbst als auch von deren Eltern. Die individuelle Bedeutsamkeit von Gerechtigkeit prägt sich somit wohl schon früh aus und nimmt daher womöglich frühzeitig und langfristig Einfluss auf Erleben und Verhalten.

 

Für die Forscher besonders interessant war, dass sie schon im mittleren Kindesalter eine ähnliche Struktur von Ungerechtigkeitssensibilität wie im Erwachsenenalter vorfanden. So zeigten Kinder, denen insbesondere die gerechte Behandlung anderer wichtig ist, mehr prosoziales Verhalten und höhere soziale Kompetenzen als die, denen dies nicht so wichtig ist. Kinder, die sich selbst oft benachteiligt fühlen, denen Gerechtigkeit also insbesondere für sich selbst wichtig ist, zeigten hingegen mehr aggressives und weniger prosoziales Verhalten, als Kinder, die nicht dazu neigen, sich selbst ungerecht behandelt zu fühlen. Diese Kinder zeigten nach Angaben der Eltern zudem eine höhere Neigung, mit negativen Emotionen, insbesondere mit Ärger zu reagieren. Ungerechtigkeitssensibilität ist also schon im Kindesalter messbar und potentiell verhaltenswirksam.

 

Die Studienergebnisse werden in Kürze im Journal of Personality Assessment veröffentlicht werden. Der Artikel ist online verfügbar unter: https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/00223891.2020.1753754 (Strauß, S., Bondü, R. & Roth, F. (2020). Justice sensitivity in middle childhood: Measurement and location in the temperamental and competencies space. Journal of Personality Assessment. doi:10.1080/00223891.2020.1753754. Online ahead of print.)

 

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Systemische Therapie: PHB begrüßt neuen Schwerpunktleiter

Die Psychologische Hochschule Berlin heißt Josua Handerer als neuen Schwerpunktleiter für die neue Approbationsausbildung in Systemischer Therapie herzlich willkommen!

 

Als Psychologischer Psychotherapeut mit verhaltenstherapeutischer und systemischer Ausbildung ist Josua Handerer seit mehreren Jahren an der Oberbergklinik Berlin-Brandenburg tätig. Seine Ausbildung hat er unter anderem an der PHB absolviert, wo er seit einiger Zeit auch Dozent ist. Auf die Frage, was ihn an der systemischen Therapie fasziniere, sagt Handerer, es sei unter anderem die „radikale Ressourcenorientierung“ systemischen Denkens sowie das theoretische Fundament, das mit Konstruktivismus und Kybernetik sowohl der komplexen Realität menschlichen Erlebens gerecht werde als auch die Basis für verblüffend einfache Interventionen liefere. „Systemisches Denken und Handeln geht allerdings weit über die Anwendung therapeutischer Tools hinaus“, erklärt er weiter. „Für mich bedeutet es, die eigenen Annahmen immer wieder neugierig infrage zu stellen, verschiedene Perspektiven gleichberechtigt nebeneinander stehen zu lassen und stets offen zu bleiben für unerwartete und kreative Lösungen. Ich freue mich sehr darauf, meine Begeisterung für diesen aufregenden Ansatz an andere weiterzugeben.“

 

Als Schwerpunktleiter des neuen Ausbildungsganges wird Josua Handerer die systemische Therapie als vierte Approbationsausbildung an der PHB mit aufbauen.

 

Zur Person:

Josua Handerer hat Psychologie, Theologie und Germanistik in Eichstätt, Würzburg und Wien studiert. Er ist systemischer Berater und Therapeut (Helm Stierlin Institut Heidelberg) und psychologischer Psychotherapeut mit der Fachkunde Verhaltenstherapie, die er an der PHB absolviert hat. Neben verschiedenen Weiterbildungen, u.a. in klinischer Hypnose bei Gunther Schmidt und IRRT bei Mervyn Schmucker, verfügt er über eine Zulassung als Gruppentherapeut. Beruflich arbeitet er seit mehreren Jahren als Psychotherapeut an der Oberbergklinik Berlin-Brandenburg. Darüber hinaus bietet er ambulante Psychotherapien an und ist u.a. für die PHB als Dozent tätig.

 

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Qualität in der Psychotherapie: (Wie) kann man sie messen?

Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind laut ihrer Berufsordnung dafür verantwortlich, dass ihre Berufsausübung aktuellen Qualitätsanforderungen entspricht. Hierzu haben sie angemessene qualitätssichernde Maßnahmen zu ergreifen. Doch herrscht keine Einigkeit darüber, wie solche Maßnahmen genau beschaffen sein sollen. In einer Veranstaltung der Psychotherapeutenkammer Berlin wird Prof. Dr. Frank Jacobi, Prorektor der PHB und Leiter der Approbationsausbildung in Verhaltenstherapie, gemeinsam mit Kollegen über Möglichkeiten, Chancen und Risiken von Qualitätssicherungsmaßnahmen in der Psychotherapie diskutieren.

 

Ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung in der Psychotherapie ist seit langer Zeit ein Antrags- und Gutachterverfahren, bei dem sowohl die schriftlich ausgearbeitete Falldarstellung als auch die Therapieplanung erst genehmigt werden müssen, bevor die Therapie starten kann. Dieses Verfahren soll jedoch 2022 abgeschafft und durch neue Qualitätssicherungsmethoden ersetzt werden. Hierzu bestehen allerdings einige Zweifel innerhalb der Profession: Können Fragebogenwerte zum Ergebnis einer Psychotherapie die Individualität von Patientinnen und Patienten angemessen abbilden? Wie weit soll und darf die Kontrolle einzelner Behandler/innen gehen? Und wie können nicht nur patientenseitige, sondern auch therapeutenseitige Daten geschützt werden? Wäre nicht eine selbst durchgeführte interne Qualitätssicherung im freien, selbstständigen akademischen Heilberuf Psychotherapie angemessener als eine verordnete Kontrolle anhand vorgegebener Qualitätsindikatoren? Oder muss aus Gründen des Patientenschutzes unbedingt eine entsprechende externe Kontrolle durch die Kostenträger oder andere administrative Stellen gewährleistet werden?

 

Die Psychotherapeutenkammer Berlin veranstaltet zu diesen Fragen am 4. März 2020 eine Diskussionsrunde unter dem Titel „Qualität in der Psychotherapie – (Wie) kann man sie messen?“. In diesem Rahmen werden unter anderem Prof. Dr. Frank Jacobi (PHB) und Prof. Dr. Cord Benecke (Universität Kassel) über Möglichkeiten, Chancen und Risiken von Qualitätssicherungsmaßnahmen in der Psychotherapie referieren und diskutieren.

 

Veranstaltungsdetails:
Mittwoch, 4.3.20, 19:30
Ort: International Psychoanalytic University (IPU), Stromstrasse 2, 10555 Berlin

Dokumentation der Veranstaltung 

Approbationsordnung: PHB steht weiter für Verfahrensvielfalt

Nach der Verabschiedung der Approbationsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (PsychThApprO) durch den Bundesrat hat der Bundesminister für Gesundheit Jens Spahn mit Datum vom 4. März 2020 die Appobationsordnung mit den im Bundesrat beschlossenen Änderungen endgültig in Kraft gesetzt und am 12. März 2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

 

Wie sich schon im Vorfeld angekündigt hatte, ist in der nun verabschiedeten Approbationsordnung eine breite Verfahrensvielfalt in der universitären Ausbildung nicht in der vielfach geforderten Verbindlichkeit vorgesehen. So ist zwar vorgeschrieben, dass Prüfer*innen im Rahmen der Approbationsprüfung unterschiedliche Verfahren repräsentieren müssen. Im Studium selbst jedoch ist die Lehre durch ausgebildete Vertreter verschiedener psychotherapeutischer Verfahren nach wie vor nicht erforderlich.

 

In der Vergangenheit hatte dies zur Folge, dass andere Verfahren als die Verhaltenstherapie – so etwa psychodynamische Verfahren oder die systemische Therapie – in der universitären Lehre stark unterrepräsentiert waren.

 

Obwohl sich Vertreter fast aller psychotherapeutischen – auch verhaltenstherapeutischer – Verbände im Vorfeld für eine stärker verpflichtende Verfahrensvielfalt ausgesprochen hatten, stellt die Approbationsordnung hier keine Weichen für eine Änderung in der Hochschullandschaft. „Die PHB sieht sich einer gleichberechtigten Verfahrensvielfalt in der Lehre jedoch auch in Zukunft verpflichtet und wird auch im Rahmen des künftigen Psychotherapiestudiums alle wissenschaftlich anerkannten Verfahren gleichberechtigt lehren“, so Kanzler Dr. Günter Koch, zu den Plänen an der PHB.