
Psychosoziale Ressourcen von Jugendlichen in Ost- und Westdeutschland 15 und 25 Jahre nach der Wende
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Robert-Koch-Institut (RKI)
30. Januar 2024 ab 19:00 Uhr
Präsenzveranstaltung
Psychologische Hochschule Berlin
Am Köllnischen Park 2
Hörsaal im Erdgeschoss
Zum Vortrag:
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 und in der darauffolgenden Transformation sahen sich junge Eltern aus Ostdeutschland mit Verhältnissen konfrontiert, die neben beruflichen auch familiäre Risikokonstellationen begünstigten. Weil die Instabilitäten in den objektiven Lebensbedingungen junger Eltern und die biografischen Brüche auch eine Belastung für deren Kinder darstellen müsste, stellte die Literatur der 1990er Jahre fest, dass die psychosoziale Gesundheit der Generation der um 1989 in Ostdeutschland geboren Kinder „Umbruchskinder“ im Lebensverlauf, einer besonderen Analyse bedürfe und dass dabei insbesondere Verarbeitungsressourcen betrachtet werden sollten. Empirisch wurden Ost-West-Unterschiede in der Verteilung von psychosozialen Ressourcen bei Kindern und Jugendlichen der Wendegeneration bis heute allerdings nur selten untersucht.
Der Vortrag gibt einen kurzen Überblick über den Forschungsstand zu Ost-West-Unterschieden in der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen und stellt dann eigene Analysen mit der Daten der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) vor. Es wurde untersucht, ob es über 15 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung noch Ost-West-Unterschiede in den personalen Ressourcen (Selbstwirksamkeitserwartung, Optimismus, Kohärenzsinn) bei den um 1989 geborenen Jugendlichen gab und wie sich die Unterschiede in dieser Generation 10 Jahre später darstellten. Insgesamt bestätigen die Ergebnisse, dass die Generation der um 1989 geborenen Kinder aus Familien mit DDR-Sozialisation noch in den 2000er Jahren ein höheres Risiko geringer personaler Ressourcen aufwies als Kinder aus BRD-Familien. Etwa 25 Jahre nach der Wende ließen sich für diese Kohorte keine Ost-West-Unterschiede mehr erkennen, die auf den Sozialisationskontext schließen lassen. Etwaige Nachteile für Kinder aus Familien aus der DDR, die auf widrige Umstände der Umbruchsphase zurückzuführen sein könnten, erscheinen inzwischen ausgeglichen oder kompensiert.
Zum Referenten:
Dr. Niels Michalski ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung am Robert Koch-Institut. Er promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin im Fach Soziologie mit einer ländervergleichenden Analyse zu zwischenmenschlichem Vertrauen (2019). Von 2011 bis 2019 war Niels Michalski am Lehrbereich Methoden der empirischen Sozialforschung am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin beschäftigt. Seit 2019 forscht er am Robert Koch-Institut im Fachgebiet soziale Determinanten der Gesundheit zu sozialen und regionalen Unterschieden in der Verbreitung und Entwicklung körperlicher und psychischer Erkrankungen im BMBF-geförderten Forschungsverbund „DDR-Vergangenheit und psychische Gesundheit: Risiko- und Schutzfaktoren (DDR-PSYCH)“ und im DFG-geförderten Projekt „Groups put at Particular Risk by COVID 19 (GaPRisk)“.