Forschungsprojekt: Mortalität und somatische Komorbidität bei Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen. Eine deutsche Registerstudie.

Leitung: Prof. Dr. Jacobi, Prof. Dr. Schneider
Förderung: Hausmittel, DGPPN
Kooperationen: Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (FS; vormals Universitätsklinikum der RWTH Aachen), Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung der Bundesrepublik Deutschland (Zi), Klinikum Christophsbad
Laufzeit
: 2016-2019 [Fortführung als großes Verbundprojekt zur Einführung entsprechender neuer Versorgungsformen ist beantragt]
Mitarbeiter/-innen: Prof. Dr. Dr. Frank Schneider, Prof. Dr. Michael Erhart, Prof. Dr. Walther Hewer, M.Sc. Leonie A.K. Löffler, Prof. Dr. Frank Jacobi

Hintergrund: Psychisch erkrankte Patienten sterben laut internationalen Befunden durchschnittlich zehn Jahre früher als die Allgemeinbevölkerung, was weitestgehend auf körperliche Erkrankungen zurückzuführen ist. Die vorliegende Studie ermittelt erstmals Prävalenz, somatische Komorbidität und Mortalität bei schwer psychisch kranken („severe mental illness“, SMI) Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPD), psychotischen Störungen, bipolaren Störungen und schwerer unipolarer Depression in einer großen deutschen Stichprobe.

Methode: Unsere Datenbank besteht aus Abrechnungsdaten aller gesetzlich krankenversicherten Erwachsenen in Deutschland. Administrative 12-Monats-Prävalenzen der SMI sowie somatische Komorbiditäten wurden mit Querschnitt-Daten aus dem Jahr 2016 ermittelt (Alter ≥ 18; N = 59 561 310). Die 2-Jahres-Sterblichkeit wurde longitudinal in einer zufällig ausgewählten Teilstichprobe bestimmt (aktuellste Sterblichkeitsinformationen liegen für 2012–2014 vor; 2012: n = 15 590 107). Ergebnisse: Schwere unipolare Depressionen wiesen die höchste Prävalenz (2,01 %) auf, gefolgt von psychotischen Störungen (1,25 %), BPD (0,34 %) und bipolaren Störungen (0,29 %). Während die Prävalenz komorbider bösartiger Neubildungen moderate Abweichungen von den Referenzwerten zeigte (schwere unipolare Depressionen: Odds Ratio [OR] = 1,30, 95-%-Konfidenzintervall [1,29; 1,31]; BPD: OR = 1,11 [1,09; 1,14]; psychotische Störungen: OR = 0,90 [0,89; 0,90]; bipolare Störung: OR = 1,07 [1,06; 1,09]), waren andere Krankheitsgruppen (infektiös, endokrin/ernährungsbedingt/ stoffwechselbedingt, kreislaufbedingt, respiratorisch) bei allen Patienten mit SMI deutlich erhöht. Die Sterblichkeitsraten für psychotische Störungen, BPD, bipolare Störungen und schwere unipolare Depressionen waren ebenfalls erhöht (OR = 2,38 [2,32; 2,44], 2,30 [2,08; 2,54], 1,52 [1,42; 1,62], 1,40 [1,37; 1,44]), mit einem Lebenszeitverlust von 2,6 bis 12,3 Jahren, je nach Alter, Geschlecht und Erkrankung.

Schlussfolgerung: Die Sterblichkeit ist bei allen Patienten mit SMI deutlich erhöht. Die Ergebnisse unterstreichen, wie notwendig eine angemessene somatische Versorgung ist. Hindernisse vonseiten der Patienten und der Versorger sollten beseitigt werden, um die Übersterblichkeit zu reduzieren.

 

Schlagwörter: Mortalität, somatische Komorbidität, schwere psychische Erkrankungen (SMI), Versorgungsforschung

Kontakt: f.jacobi@phb.de

 

Publikationen und sonstige Beiträge: 

Schneider, F., Erhart, M., Hewer, W., Loeffler, L.A.K., Jacobi, F. (2019). Mortality and medical comorbidity in the severely mentally ill – a German registry study. Deutsches Ärzteblatt International, 116, 405–411. [deutsch: siehe hier#]

Jacobi, F., Kunas, S.L., Annighöfer, M.L.D., Sammer, S., Götz, T., Gerlinger, G. (2019). Versorgungs- und Hilfesysteme für Menschen mit psychischen Erkrankungen und psychosozialem Hilfebedarf in Deutschland. In R. Haring (Hrsg.): Gesundheitswissenschaften. Berlin: Springer. doi:10.1007/978-3-662-54179-1_55-1

Jacobi, F. Karadza, A., Ziervogel, K. (2017). Gesundheitsförderung bei Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen: Konzept und Evidenzlage. In: U. Pohl (Hrsg.), Morgenspuren, S.155-167. Bielefeld: Luther-Verlag.

Schneider, F., Erhart, M., Hewer, W., Jacobi, F. (2017). Mortality in severe mental illness: first time results from statutory health insurance in Germany. Symposium “Increased morbidity and mortality among patients with severe mental illness” at the WPA XII World Congress of Psychiatry, Berlin, 9.10.2017.

Jacobi F. (2016). Interventionsmöglichkeiten für ein verbessertes Management körperlicher Krankheiten bei (schweren) psychischen Störungen. Vortrag auf dem DGPPN-Kongress 2016 (Hauptsymposium: Erhöhtes Sterblichkeitsrisiko bei Menschen mit psychischen Erkrankungen), 26.11.2016.