Forschungsprojekt: Doing rupture. Eine multimethodale Beschreibung der intersubjektiven Dynamik von Spannungen und Krisen in der therapeutischen Beziehung.
Projektlaufzeit: 2021-2025
Projektleitung: Prof. Dr. Antje Gumz
Projektmitarbeiterinnen: Jelka Berger, Carmen Martinez Moura, Lili K. Kalmbach
Zwangsläufig ereignen sich Spannungen und Krisen in der therapeutischen Beziehung (Alliance ruptures, Enactments). Sie sind ein Anzeichen für eine Verstrickung in ein schwieriges Interaktionsmuster. Bei einer gelingenden Auflösung bieten sie die Chance für eine korrektive emotionale Erfahrung und Therapiefortschritte. Oft gelingt es Therapeut:innen jedoch nicht ausreichend, konstruktiv mit solchen Rupturen umzugehen (Gumz, 2020). In diesem Fall bergen die Rupturen ein hohes Risiko für vorzeitige Therapieabbrüche und schlechte Therapieergebnisse. Die Entstehung von Spannungen und Krisen in der therapeutischen Beziehung wird in der bisherigen Forschung und auch in einem Großteil der psychotherapeutischen Fachliteratur als von der Patientin, dem Patienten und ihren oder seinen repetitiven interpersonellen Mustern verursacht betrachtet. Doch was trägt die Therapeutin, der Therapeut bei? Wie reflektieren Therapeut:innen über ihre Anteile an der Entstehung einer Spannung oder Krise? Inwieweit bringen sie ihre Anteile in den therapeutischen Dialog ein? Gibt es unbewusste Anteile, die aus Beobachterperspektive herausgearbeitet oder im Nachhinein von den Therapeut:innen reflektiert werden können? Und inwieweit ändert sich die Perspektive nach Supervision?
Diese Fragen sollen im Rahmen von drei konsekutiven, qualitativen Studien beleuchtet werden: In Teilstudie 1 wurden erfahrene und unerfahrene Therapeut:innen aller Richtlinienverfahren (N=24, je drei erfahrene bzw. unerfahrene Therapeut:innen pro Verfahren) mittels leitfadengestützter Interviews zum Erleben einer konkreten spannungsreichen Situation befragt (subjektive Ebene, Erfassen bewusster expliziter Anteile). Die Interviews wurden mittels der Consensual-Qualitative-Research- Methode (Hill, 2012) ausgewertet. Dabei wurden bewusste Konzepte und Haltungen im Umgang mit Spannungen herausgearbeitet. Im Anschluss an die Interviews fanden in Teilstudie 2 Gruppensupervisionssitzungen mit den 24 Therapeut:innen statt (verfahrensgemischte Gruppen mit je vier Therapeut:innen), in denen Rollenspiele zu den spannungsreichen Situationen durchgeführt wurden. Die Rollenspiele ermöglichten den Therapeut:innen, die eigenen Interaktionsmuster zu erspüren und zu üben, Worte dafür zu finden (Metakommunikation). Die Supervisionen wurden videoaufgezeichnet und werden im Forschungsteam tiefenhermeneutisch interpretiert. Durch die tiefenhermeneutische Auswertung sollen neben den bewussten auch die unbewussten, impliziten Anteile der Therapeut:innen am Geschehen herausgearbeitet werden. In Teilstudie 3 wurden entsprechend dem Vorgehen von Teilstudie 1 die teilnehmenden Therapeut:innen nochmals befragt. Der Fokus der Interviews lag dabei auf der Wirkung der Supervision (Teilstudie 2) auf die Reflektion über die intrapsychischen und interpersonellen Dynamiken.
Das Forschungsprojekt soll einen Beitrag dazu leisten, die Rolle der Therapeut:innen an der Entstehung und Aufrechterhaltung von Spannungen und Krisen näher zu beleuchten. Implikationen für die psychotherapeutische Aus- und Weiterbildung sowie die Supervision sollen herausgearbeitet werden. Die im Projekt adressierten Themen werden zunehmend verfahrensübergreifend diskutiert. Gleichwohl ist es fraglos die psychodynamische Theorie, die dazu die längste Tradition aufweist. Es ist bedeutsam, die psychodynamische Forschung auf diesem Gebiet voranzutreiben und mit der existierenden Theorie zu verknüpfen (Gumz u. Geyer, 2021).
Kooperationspartner: Prof. B. Strauß, FSU Jena
Kontakt: a.gumz@phb.de; Tel. 030/ 20 91 66-282