Vielfalt der Rechtspsychologie - Putting Science into Practice

Die Rechtspsychologie ist ein angewandtes Feld der Psychologie, das mithilfe empirisch-wissenschaftlicher Methoden Fragestellungen zum menschlichen Erleben und Verhalten innerhalb des Rechtssystems bearbeitet. Beispiele für rechtspsychologische Arbeitsfelder sind die Erstellung psychologischer Gutachten z.B. zur Rückfallprognose von Straftätern oder zur Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen, die Behandlung von (psychisch kranken) Straftätern oder die Polizeipsychologie.

In der Reihe „Vielfalt der Rechtspsychologie – Putting Science Into Practice“ des M.Sc. Rechtspsychologie an der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB) stellen Expertinnen und Experten der Rechtspsychologie aus ganz Deutschland ihr jeweiliges Arbeitsfeld vor. Dabei wird der wissenschaftliche Erkenntnisstand zum eigenen Arbeitsbereich vorgestellt und anschaulich auf praktische Fragestellungen im rechtlich-psychologischen Alltag bezogen.

Nächster Vortrag

Psychotherapie, Trauma und Glaubhaftigkeit: Forschungsergebnisse und ihre Bedeutung für die Praxis

Dr. Jonas Schemmel
Wissenschaftlicher Mitarbeiter (Post-Doc) an der FernUniversität Hagen

Dienstag, 25. November 2025 | 19:00 – 20:30 Uhr
Online-Vortrag über Zoom

Zum Vortrag

Wie beeinflussen psychotherapeutische Prozesse Erinnerungen an traumatische Erlebnisse – und welche Bedeutung hat dies für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung im Strafverfahren? Dr. Jonas Schemmel (FernUniversität Hagen) gibt in seinem Vortrag Einblick in aktuelle empirische Befunde zur Entstehung und Veränderung von Erinnerungen im therapeutischen Kontext. Er diskutiert, inwieweit leitliniengerechte Psychotherapie die Aussagezuverlässigkeit berührt und welche Konsequenzen sich daraus für Forschung, Praxis und Ausbildung ergeben. 

Psychotherapien befassen sich häufig mit potenziell traumatischen Erlebnissen von Patient:innen, die strafrechtlich relevant sind. Gleichzeitig gibt es Befürchtungen, Psychotherapien könnten die Erinnerungen von Patient:innen verändern, sodass ihre Aussagen strafrechtlich nicht mehr verwendbar sind.

In diesem Vortrag werden zunächst wissenschaftliche Erkenntnisse zur Entstehung falscher Erinnerungen im therapeutischen Kontext referiert und eingeordnet. Zudem werden aktuelle Befunde zu möglichen Veränderungen von kontinuierlichen Erinnerungen durch traumafokussierte Verfahren vorgestellt. Es zeigt sich, dass gravierende Erinnerungsveränderungen sowie falsche Erinnerungen vor allem in speziellen und nicht leitliniengerechten therapeutischen Settings auftreten dürften, bei denen suggestive Aufdeckungsversuche eine Rolle spielen. Im Anschluss werden aktuelle Befunde zum tatsächlichen Vorkommen problematischer therapeutischer Kontexte in Deutschland sowie zu beobachteten Veränderungen traumatischer Erinnerungen in Psychotherapien referiert. Es zeigt sich, dass leitliniengerechte Psychotherapie die Glaubhaftigkeit im Strafprozess nicht prinzipiell gefährdet, aber das Thema in der therapeutischen Aus- und Weiterbildung präsent sein sollte. Abschließend werden offene Forschungsfragen skizziert.

Dr. Jonas Schemmel

Dr. Jonas Schemmel ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter (Post-Doc) an der FernUniversität Hagen im Bereich Persönlichkeits-, Rechtspsychologie und Diagnostik. Zuvor war er Vertretungsprofessor für Rechtspsychologie an der Universität Kassel und leitete die Forschungseinheit „Formen und Folgen abweichenden Verhaltens“ am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen. Von 2017 bis 2022 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der PHB. Seit 2016 ist Dr. Schemmel als forensisch-psychologischer Sachverständiger tätig, insbesondere zur Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen. Er ist Fachpsychologe für Rechtspsychologie (BDP/DGPs) und hat 2021 an der HU Berlin promoviert. Zuvor hat er Rechtspsychologie an der PHB und Psychologie an der HU Berlin studiert.

Bisherige Vorträge der Reihe:

15.07.2025
„Prävention von Sexualstraftaten: Wirksame Bekämpfung statt blinder Aktionismus!“

Prof. Dr. Jürgen Biedermann
Professor für Psychologie an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg

06.03.2025
„Kindeswohlgefährdung durch Partnerschaftsgewalt?“

Prof. Dr. phil. Ute Ziegenhain
Leiterin der Sektion Pädagogik, Jugendhilfe, Bindungsforschung und Entwicklungspsychopathologie an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm

12.11.2024
„Wie kommt es zu Radikalisierung und was kann man dagegen tun?“

Prof. Dr. Andreas Beelmann
Professor für Forschungssynthese, Intervention und Evaluation an der Universität Jena

16.07.2024
„Qualitätssicherung der psychologischen Begutachtung im Familienrecht“

Prof. Dr. Jelena Zumbach-Basu
Professorin für Rechtspsychologie mit Schwerpunkt Familienrechtspsychologie an der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB)

Folien zum Vortrag

13.03.2024
„Eine psychologische Perspektive auf Justizirrtümer“

Prof. Dr. Renate Volbert
Professorin für Rechtspsychologie an der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB)

Folien zum Vortrag

24.11.2023
„Elternautonomie oder Kindeswohlgefährdung? Familien mit abweichenden Normen“

Prof. Dr. Heinz Kindler
Leiter der Fachgruppe „Familienhilfe und Kinderschutz“ am Deutschen Jugendinstitut München e.V.

Folien zum Vortrag

11.07.2023
„Hinter Gittern – Was bringt eigentlich Behandlung im Strafvollzug?“

Prof. Dr. Martin Rettenberger
Direktor der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ) in Wiesbaden und Professor am Psychologischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU)

07.02.2023
„Between the chairs: Sachverständige in Hochkonfliktfamilien zwischen eigenen Ansprüchen, gerichtlichen Erwartungen und elterlichen Vorurteilen“

Dr. Dr. Jörg Fichtner
Fachpsychologe für Rechtspsychologie und anerkannter Familiengutachter der Psychotherapeutenkammer Bayern

15.11.2022
„Leaking als Warnsignal für schwere Gewalttaten“

Prof. Dr. Rebecca Bondü
Professorin für Entwicklungs-, Pädagogische und Familienpsychologie an der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB)

07.07.2022
„Kann man Gefährlichkeit messen?“

Prof. Dr. Klaus-Peter Dahle
Universität Hildesheim; Professor für Rechtspsychologie

05.05.2022
„Ein Missbrauch, den es nie gab – Wie Scheinerinnerungen entstehen und was Psychotherapie damit zu tun haben kann“

Dr. Jonas Schemmel
Leiter der Forschungseinheit „Formen und Folgen abweichenden Verhaltens“ am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen

28.10.2021
„Stalking – Erscheinungsformen, Täter und Opfer, Intervention“

Prof. Lena Posch
Professorin für Rechtspsychologie an der Hochschule in der Akademie der Polizei Hamburg

22.04.2021
„Mission (im)possible?! – Zur Behandlung von Sexualstraftätern“

Dr. Martin Schmucker
Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Psychologische Diagnostik, Methodenlehre und Rechtspsychologie

19.11.2020
„Lügendetektion – Funktioniert das?“

Prof. Dr. Matthias Gamer
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Institut für Klinische Experimentelle Psychologie

16.01.2020
„Falsche Geständnisse – Warum Menschen Verbrechen gestehen, die sie nicht begangen haben“

Prof. Dr. Volbert
Professorin für Rechtspsychologie an der Psychologische Hochschule Berlin (PHB)

07.11.2019
„Was ist eigentlich ein Psychopath? – Mythos und Realität“

Prof. Dr. Mokros
Leiter des Fachbereichs Persönlichkeits-, Rechtspsychologie und Diagnostik an der Fernuniversität Hagen

23.05.2019
„Sexueller Kindesmissbrauch in digitalen Medien – Phänomenologie, Prävalenz, Prävention von Online Grooming“

Dr. Laura Kuhle
Sexualtherapeutin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin an der Charité Berlin

07.02.2019
„Messer weg!“ – Polizeilicher Umgang mit psychisch erkrankten Personen im Spannungsfeld zwischen Kommunikation und Zwangsanwendung“

Prof. Dr. Biedermann
Professor an der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg

22.11.2018
„Therapieziel: Vermeidung schwerer Straftaten – Ambulante forensische Nachsorge für entlassene Gewalt- und Sexualstraftäter“

Dr. Tatjana Voß
Leiterin der Forensisch-Therapeutischen Ambulanz, Charité Berlin