Forschungsprojekt: Konstruktspezifikation des Kindeswillens und Neu- und Weiterentwicklung von Erfassungsansätzen
Kooperationspartner: Prof. Dr. Ute Koglin (C.v.O. Universität Oldenburg)
Mitarbeitende: M.Sc. Franziska Uhle (Doktorandin)
Zeitperspektive: 2020-2023
Ziel:
Im rechtspsychologischen Kontext gehört der Kindeswille zu den besonders gewichtigen und gleichzeitig besonders schwierigen Kriterien bei der Beurteilung des Kindeswohls. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 1 GG) und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit (§ 1 Abs. 1 SGB) ist nur mit Freiraum für Selbstbestimmung und Mitwirkung zu gewährleisten. In der UN-Kinderrechtskonvention (Art. 9, Art. 12 UN-KRK) ist die Teilhabe des Kindes an allen für das Kind bedeutsamen Lebensentscheidungen verankert. Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife (Art. 12 UN-KRK).
Um diese Forderung nach Teilhabe ernsthaft umzusetzen, muss der Kindeswille im Rahmen von Sorge- und Umgangsrechtsentscheidungen sowie in Lebensortfragen im Rahmen von Kinderschutzverfahren Beachtung finden. Dabei stellen sich jedoch erhebliche Probleme in der Operationalisierung und Erfassung dieses Konstrukts sowie in der Bestimmung und Bewertung des geforderten Reifemerkmals. Empirisch-psychologische Erkenntnisse zur Entstehung, Äußerung oder operationalen Erfassung kindlicher Willensprozesse liegen bislang kaum vor.
Im Rahmen eines Pilotprojekts wurde in einem explorativen empirischen Ansatz untersucht, welche Strategien fünfjährige Kinder zum Ausdruck von Willenshaltungen zeigen und wie dies mit dem sozial-emotionalen und dem kognitiven Entwicklungsstand variiert (Zumbach, Saini & Koglin, 2021). Hierauf aufbauend wird in dem aktuellen Projekt die Forschung zu den Fragen ausgeweitet, 1) welche Strategien Kinder und Jugendliche in verschiedenen Altersgruppen zeigen, um einen Willen zum Ausdruck zu bringen, 2) wie sich diese Strategien erfassen lassen und 3) wie diese Strategien mit weiteren psychologischen Konstrukten, wie der emotionalen Kompetenz, Copingmechanismen, oder der Eltern-Kind-Beziehung im Zusammenhang stehen.
Kontakt:
j.zumbach@phb.de; f.uhle@phb.de
Publikationen:
- Zumbach, J., Saini, M. & Koglin, U. (2021). Children’s strategies for giving voice to needs consistent with the UN Convention on the Rights of the Child (UNCRC). Family Court Review. Advance online publication. https://doi.org/10.1111/fcre.12517
- Fahrendholz, L. & Zumbach, J. (2020). Bewertung eines entgegenstehenden Kindeswillens in Umgangsfragestellungen durch Sachverständige. Rechtspsychologie, 6, 36-54.