„Ein wichtiger Meilenstein“: PHB erhält Ermächtigung zur Weiterbildung in vier Psychotherapieverfahren

Die Psychologische Hochschule Berlin (PHB) ist vom Zulassungssausschuss für Ärzte und Psychotherapeuten Berlin zur Weiterbildung von PsychotherapeutInnen in den vier Richtlinienverfahren „Verhaltenstherapie“, „Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie“, „Systemische Therapie“ sowie „Analytische Psychotherapie“ ermächtigt worden. Sie darf damit im Rahmen der künftigen psychotherapeutischen Weiterbildungen in ihren Räumen ambulante psychotherapeutische Behandlungen durchführen.

 

„Das ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Umsetzung der Psychotherapeutengesetzreform an der PHB“, so Dr. Günter Koch, Kanzler der PHB. „Wir sind meines Wissens bundesweit die erste Universität, die diese Ermächtigung erhalten hat. Wir hoffen, dass im Herbst auch die Akkreditierungsprozesse bei der  Psychotherapeutenkammer Berlin abgeschlossen sind. Wenn dann noch unsere Verhandlungen mit den Krankenkassen über die Vergütung der Weiterbildungsteilnehmenden positive Ergebnisse erzielen, können wir die neuen Weiterbildungen zeitnah und sicher als eine der ersten deutschen Universitäten anbieten.“

Prognose kindeswohlgefährdenden Elternverhaltens (PROSPECT): Neues DFG-Projekt im Bereich Familienrechtspsychologie

Prof. Dr. Jelena Zumbach-Basu, Juniorprofessorin im Fachbereich Rechtspsychologie an der PHB
Prof. Dr. Jelena Zumbach-Basu

Rechtspsychologie an der PHB: Das Auftreten von Kindeswohlgefährdungen in Deutschland ist ein gesellschaftlich sehr relevantes und zudem wachsendes Problem. Die Tragweiten gerichtlicher Entscheidungen bezüglich staatlicher Schutzmaßnahmen in familienrechtlichen Verfahren bei drohender Kindeswohlgefährdung sind zweifellos sehr groß. Ein verpasster Eingriff zum Schutz des Kindes kann genauso schwerwiegende Folgen haben wie eine fälschliche Herausnahme eines Kindes aus seiner Herkunftsfamilie.

 

Psychologische Sachverständigeneinschätzungen können wichtige Erkenntnisse in den hier relevanten Kinderschutzverfahren liefern. Sie haben in der Regel auch ein hohes Gewicht bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung. Von Seiten der Wissenschaft wird jedoch unter anderem kritisiert, dass systematische Kenntnisse zur Reliabilität (Zuverlässigkeit) und Validität (Gültigkeit) von Kindeswohlprognosen durch psychologische Sachverständige und Familiengerichte noch an vielen Stellen fehlen. Entsprechende Erkenntnisse können jedoch wesentlich zur Verbesserung der Genauigkeit von Entscheidungen in Kinderschutzverfahren beitragen.

 

Unter Leitung von Prof. Dr. Jelena Zumbach-Basu wird in einem aktuellen DFG-Projekt die Reliabilität (Zuverlässigkeit) von psychologischen Sachverständigeneinschätzungen über künftig zu erwartende Kindeswohlgefährdungen untersucht. Weiter werden auch die darauf aufbauenden Entscheidungen von Familiengerichten in die Analyse einbezogen. Auf Basis von Gerichtsakten werden Kinderschutzfälle mittels eines strukturierten Prognoseinstruments re-analysiert. Hierzu wird, aufbauend auf international vorliegende Befunde, ein deutschsprachiges prognostisches Instrument zur Risikoeinschätzung von kindeswohlgefährdendem Elternverhalten (weiter-) entwickelt.

 

Ein weiterer Fokus der Studie liegt auf der Untersuchung der psychischen Gesundheit und sozialen Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen, die ein Kinderschutzverfahren durchlaufen. Es wird untersucht, wie diese Faktoren mit der Empfehlung von psychologischen Sachverständigen und mit den Entscheidungen der Familiengerichte über Kinderschutzmaßnahmen zusammenhängen. Im dritten Schritt wird analysiert, ob die Sachverständigenempfehlungen durch die Gerichte in der Praxis umgesetzt werden und welche Indikatoren die Gerichte ihrer Beschlussfassung zur Anordnung von Maßnahmen in der Praxis zugrunde legen.

 

Perspektivisch wird mit diesem Projekt der Grundstein für längsschnittliche Untersuchungen gelegt, die auch über den Abschluss von Kinderschutzverfahrens hinausgehen. So können wichtige Erkenntnisse über die langfristigen Wirkungen der durch Familiengerichte beschlossenen Maßnahmen in Kinderschutzverfahren und deren Umsetzung erlangt werden.

 

Das DFG-Projekt ist im September 2023 im Arbeitsbereich Familienrechtspsychologie der PHB gestartet und ist auf drei Jahre angelegt. In diesem Praxis- und Forschungsfeld liegt eine derart umfassende Datenerhebung in Deutschland bislang nicht vor. Die Studie wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und durch das Bundesministerium der Justiz (BMJ) unterstützt.

 

Das Projekt wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

„Repräsentiert die Vielfalt der psychologischen Disziplinen in beeindruckender Weise“: Bachelorstudiengang der PHB bis 2030 reakkreditiert

Der Akkreditierungsrat hat den Bachelorstudiengang Psychologie der PHB bis zum 30. September 2030 ohne Auflagen reakkreditiert. Eine solche Reakkreditierung von Studiengängen ist fünf Jahre nach der Erstzulassung nötig. Der Akkreditierungsrat traf seine Entscheidung unter anderem aufgrund eines ausführlichen Gutachterberichts nach einem Ortsbesuch in der PHB. Besonders positiv hervorgehoben wurde dabei der Kontakt der Hochschule mit der Studierendenschaft sowie die Vielfalt psychologischer Disziplinen, die durch das Lehrpersonal des Studiengangs repräsentiert sind.

 

Das Gutachtergremium zur Prüfung des Bachelorstudiengangs war von der Akkreditierungsagentur Acquin zusammengestellt und entsandt worden. Es prüfte den Studiengang und die Infrastruktur der Hochschule sowohl nach formalen Vorgaben als auch nach fachlich-inhaltlichen Kriterien. Dabei wurde unter anderem bestätigt, dass das Bachelorstudium in der Regelstudienzeit problemlos absolviert werden kann und die Inhalte und Lehrformen aktuellen fachlichen Standards entsprechen.

 

In ihrem abschließenden Bericht stellte die Gutachtergruppe fest, dass das Curriculum des Bachelorstudiengangs sehr gut auf die Qualifikationsziele abgestimmt sei und sich eng an den Vorgaben der Fachgesellschaften DGPs und BDP sowie den gesetzlichen Anforderungen – darunter das Psychotherapeutengesetz – orientiere. Darüber hinaus würden die Lehr- und Lernformen der PHB  von Studierenden sehr positiv gewürdigt. Die PHB nutze zahlreiche Mechanismen zur regelmäßigen Kontrolle der Studienqualität und umfangreiche Maßnahmen zur Anpassung des Lehrplans und der Struktur des Studiengangs. „Als große Stärke der Hochschule“, so die Gutachter, „ist dabei der enge Austausch zwischen Hochschule und Studierendenschaft zu erwähnen.“

 

Positiv hervorgehoben wurde darüber hinaus das breit gefächerte Angebot in der Klinischen Psychologie. Das Lehrpersonal der PHB repräsentiere die Vielfalt der psychologischen Disziplinen und die Breite der wissenschaftlich begründeten Therapieverfahren „in beeindruckender Weise“, so das Fazit der Gutachter.

 

Die Akkreditierung von Studiengängen ist ein Instrument, das die Qualität von Studium und Lehre an deutschen Universitäten sicherstellen soll. Entsprechende Gutachten werden von zertifizierten Akkreditierungsagenturen erstellt – die Entscheidung bezüglich einer Akkreditierung fällt der Akkreditierungsrat als gemeinsame Einrichtung der Bundesländer. Alle Studiengänge der PHB sind durch den Akkreditierungsrat akkreditiert. 

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„Die Zeit drängt“: Finanzierung psychotherapeutischer Weiterbildungen im Bundestag verhandelt

Ein für die psychotherapeutische Versorgung in Deutschland essentielles Thema wird am 3. Juli öffentlich im Deutschen Bundestag verhandelt: die „Petition zur Finanzierung der Weiterbildung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten“, die von mehr als 70.000 Menschen unterzeichnet wurde. Der Hintergrund: auch wenn die Reform der psychotherapeutischen Ausbildung in Deutschland längst beschlossene Sache ist – unklar ist weiterhin, wie sie finanziert werden soll.

 

Dass durch Nachjustierung auf Seiten der Gesetzgebung eine tragbare Lösung gefunden wird, ist die Hoffnung klinischer und ambulanter Ausbildungsinstitute – denn solange es keine präzise gesetzliche Regelung gibt, werden Lösungen nur durch individuelle und möglicherweise langwierige Verhandlungen mit den Krankenkassen erarbeitet werden können. Die Leidtragenden dabei sind – neben den Instituten selbst – vor allem Psychologiestudierende, die eine psychotherapeutische Weiterbildung anstreben.

 

Vor der Anhörung im Bundestag haben wir Dr. Günter Koch, Geschäftsführer der PHB, zu seiner Bewertung der Petition befragt.

Dr. Günter Koch, Geschäftsführer der PHB

Lieber Herr Dr. Koch, am 3. Juli findet im Deutschen Bundestag die Anhörung zur Petition „Finanzierung der Weiterbildung für Psychotherapeutinnen und -therapeuten statt“, die auch von vielen Angehörigen der PHB unterzeichnet wurde. Worum geht es bei dieser Petition?

Der Bundestag hat am 15. November 2019 eine Reform des Psychotherapeuten-Gesetzes beschlossen und festgelegt, dass künftige Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ein klinisches Masterstudium absolvieren müssen, an das sich eine Approbationsprüfung und eine fünfjährige Weiterbildung anschließen. In diesem Herbst werden Absolventinnen und Absolventen dieses neuen Masterstudiengangs in größerer Zahl erwartet – es gibt jedoch noch kein Angebot an psychotherapeutischen Weiterbildungen, da die Finanzierung unklar ist. Die Petition fordert, dass die für die Durchführung der Weiterbildungen notwendigen finanziellen Mittel durch entsprechende gesetzliche Regelungen bereitgestellt werden.

 

Was genau soll mit der Petition erreicht werden?

Durch den Bundestag wurde zwar festgelegt, dass die Weiterbildung im Anstellungsverhältnis und mit angemessener Vergütung stattfinden soll. Es fehlt allerdings völlig eine Regelung dazu, wie sich Weiterbildungsstätten, die die künftigen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten anstellen sollen, refinanzieren können. Solange nicht klar ist, aus welchen Quellen die Vergütung der Weiterbildungsassistentinnen und Weiterbildungsassistenten kommen soll und ob diese in ausreichender Höhe zur Verfügung stehen, werden weder Kliniken noch ambulante Einrichtungen die notwendigen Stellen einrichten können.

 

Die Konsequenz wäre, dass die nun ihr Studium abschließenden Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ihre Weiterbildung in Ermangelung entsprechender Stellen nicht beginnen können. Durch den fehlenden Nachwuchs würde sich die ohnehin schon unzureichende Versorgung der Bevölkerung mit Psychotherapie weiter verschlechtern.

 

Diese prekäre Perspektive wird noch verschärft durch die Tatsache, dass das Durchschnittsalter der praktizierenden Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in etwa bei 55 Jahren liegt. Viele von ihnen werden in den nächsten Jahren in den Ruhestand eintreten und ihren Versorgungsauftrag zurückgeben. Schon jetzt müssen Patientinnen und Patienten viele Monate auf einen freien Platz in einer psychotherapeutischen Praxis warten. Wenn die Politik hier nicht rechtzeitig gegensteuert, indem sichergestellt wird, dass für die ausscheidenden Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in ausreichendem Umfang Nachwuchs zur Verfügung steht, wird sich dieser Engpass drastisch verschlimmern. Patientinnen und Patienten in seelischer Notlage müssen damit rechnen, dass sie vielleicht erst nach einem Jahr endlich Hilfe bekommen.

 

Darum fordert die Petition, dass die Weiterbildung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten endlich finanziell angemessen abgesichert wird.

 

Wie kann man die Petitionsinitiative unterstützen?

Die Petition wird am 3. Juli im Bundestag im Sitzungssaal 3.101 verhandelt. Alle, die es ermöglichen können, sollten an diesem Tag als Besucher der Sitzung beiwohnen und durch ihre Präsenz den Abgeordneten die Bedeutung des Themas verdeutlichen.

 

Welche anderen Wege können gegangen werden, um die Finanzierung der künftigen psychotherapeutischen Weiterbildungen zu ermöglichen?

Die PHB leistet ihren Beitrag zu einer baldigen Problemlösung – in dem ihr möglichen Rahmen. So haben wir die Berliner Krankenkassenverbände zu Verhandlungen über die Vergütung ambulanter psychotherapeutischer Leistungen im Rahmen der Weiterbildung aufgefordert. Wir erwarten einen ersten Verhandlungstermin im Juli und werden alles tun, um zu einem schnellen Ergebnis zu kommen. Bislang gibt es unseres Wissens solche Verhandlungen bundesweit noch nicht, so dass wir diesbezüglich eine Vorreiterrolle einnehmen.

 

Angesichts fehlender gesetzlicher Grundlagen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings völlig unklar, ob die Kassen bereit sind, die Kosten für die Weiterbildung und die Vergütung der Weiterbildungsassistentinnen und –assistenten in ausreichendem Umfang zu übernehmen.

 

In drei Sätzen – wie ist der aktuelle Status Quo der Reform insgesamt und wie ist Ihre Einschätzung für die Umsetzung der Reform?

Aktuell läuft der Akkreditierungsprozess für die künftigen Weiterbildungsstätten bei den Landespsychotherapeutenkammern. Diese Anerkennungsprozesse werden voraussichtlich bis zum Herbst abgeschlossen sein. Im September finden bundesweit die Prüfungen nach der neuen Approbationsordnung statt. Unmittelbar danach werden Weiterbildungsplätze in ausreichender Zahl gebraucht. Die Zeit drängt. Wir setzen darauf, dass der Gesetzgeber die von ihm selbst geschaffene Notlage behebt und die Kassen verpflichtet, angemessene Mittel für die Weiterbildung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zur Verfügung zu stellen.

Dr. Günter Koch ist Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut. Er ist seit Gründung der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB) ihr Geschäftsführer und Kanzler.

Mehr Infos

Zur Petition

 

Infos zur Anhörung im Bundestag:

 

Die Sitzung findet im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3.101, statt. Einlass wird ab etwa 11:30 Uhr sein.  Die Anhörung zur Petition „Finanzierung der Weiterbildung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten“ findet gegen 13:15 Uhr bis 14:30 Uhr als zweites Anhörungsthema statt.

 

Bei Interesse der Teilnahme können Sie sich unter vorzimmer.peta@bundestag.de anmelden. Die Anmeldung dient aber ausschließlich der beschleunigten Einlasskontrolle.

 

Im Anschluss an die Anhörung findet um 15:00 Uhr neben dem Nordeingang des Reichstagsgebäudes eine „Versammlung“ der Unterstützer*innen statt. Zu dieser „Versammlung“, zu der auch Mitglieder des Deutschen Bundestages erwartet werden, laden wir Sie ebenfalls herzlich ein.

Paradigmenwechsel in der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen: Studie validiert Interview für das AMPD

Prof. Susanne Hörz Sagstetter
Prof. Susanne Hörz Sagstetter

In der Diagnostik und Klassifikation von Persönlichkeitsstörungen zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab – weg von kategorialen, hin zu dimensionalen Ansätzen. Das bedeutet, dass in der Diagnose nicht nur das Krankheitsbild einbezogen wird, das ein Mensch aufweist, sondern auch der Schweregrad, mit dem dieses Krankheitsbild ausgeprägt ist – bzw. das Funktionsniveau seiner Persönlichkeit.  Ein prominentes dimensionales Modell ist das Alternative DSM-5 Modell für Persönlichkeitsstörungen (AMPD), in welchem das Funktionsniveau der Persönlichkeit als zentrales Kriterium zur Bestimmung von Persönlichkeitsstörungen definiert wird. Mit dem Strukturierten Klinischen Interview für das AMPD – Modul I (SCID-5-AMPD-I) kann dieses Funktionsniveau einer Persönlichkeit erfasst werden. Unter Leitung von Prof. Dr. Susanne Hörz-Sagstetter hat ein Forschungsteam der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB) dieses Interview nun in deutscher Sprache validiert.

 

Die Validierungsstudie zu dem Interview wurde mit 121 Personen durchgeführt, die entweder in psychotherapeutischer Behandlung oder therapiesuchend waren. Die Ergebnisse zeigen, dass das SCID-5-AMPD-I hohe Zusammenhänge mit anderen Maßen für Persönlichkeitsstörungen aufweist und im Vergleich dazu verhältnismäßig kleinere Zusammenhänge mit Maßen für andere psychische Störungen (z. B. Depression, Angststörungen und Somatisierungsstörungen). Zudem konnte eine hohe Reliabilität – also Zuverlässigkeit – des Interviews  festgestellt werden. So kamen unabhängige Rater, die sich Videos von SCID-5-AMPD-I-Interviews angesehen haben, beispielsweise zu ähnlichen Ergebnissen. Faktorenanalysen legen nahe, dass das Konstrukt des Funktionsniveau der Persönlichkeit tatsächlich ein unidimensionales Konstrukt ist, was darauf hindeutet, dass alle Persönlichkeitsstörungen auf eine zugrundeliegende pathologische Struktur zurückgeführt werden können.

 

Die Studie bestätigt insgesamt, dass das SCID-5-AMPD-I ein geeignetes Instrument zur Erfassung des Funktionsniveaus der Persönlichkeit nach dem AMPD ist, womit Persönlichkeitsstörungen dimensional erfasst werden können. Sie stellt die bisher umfangreichste Validierung eines Interviews zur Erfassung des Funktionsniveaus der Persönlichkeit dar.

 

Die Befunde können nachgelesen werden bei Ohse, L., Zimmermann, J., Kerber, A., Kampe, L., Mohr, J., Kendlbacher, J., Busch, O., Rentrop, M., & Hörz-Sagstetter, S. (2022). Reliability, structure, and validity of module I (personality functioning) of the Structured Clinical Interview for the alternative DSM–5 model for personality disorders (SCID-5-AMPD-I). Personality Disorders: Theory, Research, and Treatment. Advance online publication. https://doi.org/10.1037/per0000576. http://dx.doi.org/10.1037/per0000576

 

Das Interview, das in dieser Studie validiert wurde, wird nun in einer weiteren Studie zur Untersuchung von Veränderungen des Funktionsniveaus der Persönlichkeit in ambulanten tiefenpsychologisch fundierten und verhaltenstherapeutischen Behandlungen eingesetzt.

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Kultursensible Psychotherapie: Möglichkeiten und Herausforderungen | Der Diversity-Tag 2023 an der PHB

Unsere Gesellschaft ist bunt und vielfältig. Darauf macht der Deutsche Diversity-Tag aufmerksam, der dieses Jahr am 23. Mai stattfand. Als Unterzeichnerin der Charta der Vielfalt ist auch uns an der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB) Diversitätsbewusstsein ein wichtiges Anliegen – daher beteiligten auch wir uns wieder mit öffentlichen Veranstaltungen an diesem Tag. Dabei stand dieses Jahr die Frage im Zentrum , wie sehr vor allem kulturelle und sprachliche Diversität in der psychotherapeutischen Praxis in Deutschland berücksichtigt wird – und was getan werden kann, um dies noch weiter zu fördern. Alle Interessierten sind herzlich zu den Veranstaltungen eingeladen – Anmeldungen sind über die Links am Ende dieser Seite möglich!

23. Mai 2023 | 19 Uhr im Hörsaal der PHB
Kultursensible Psychotherapie: Über den Umgang mit Sprachmittlung in der psychotherapeutischen Behandlung Geflüchteter

 

In welchem Umfang ist in Deutschland dolmetscher*innengestützte Sprachmittlung in der Psychotherapie möglich? Was sind Herausforderungen, Chancen und Perspektiven? Und welche Erfahrungen gibt es mit den entsprechenden Dynamiken und Einflüssen auf das psychotherapeutische Setting? Diesen Fragen gingen wir in einer Diskussionsveranstaltung im Hörsaal der PHB nach.

 

Zum Auftakt gab Steffen Schödwell, Psychologischer Psychotherapeut und langjähriger Mitarbeiter in der AG Transkulturelle Psychiatrie an der Charité Berlin, aus wissenschaftlicher und praxisbezogener Perspektive einen Einblick in dolmetscher*innengestützte Sprachmittlung in der psychotherapeutischen Gesundheitsversorgung. Dabei ging er auch auf aktuelle politische Bestrebungen, Sprachmittlung in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zu integrieren, eingehen.

 

In einer anschließenden Gesprächsrunde berichteten Dr. Houda Algandouzi-Rafat, Psychologin und Mitinitiatorin des Ukraineprojekts steps, sowie Elena Nowak, Dolmetscherin und Koordinatorin des Fachbereichs Sprachmittlung bei Xenion e.V., von eigenen Erfahrungen mit dolmetscher*innengestützten Beratungs- und Therapiesettings. Sie zeigten Perspektiven auf, wie qualitätsgesicherte Sprachmittlung im Therapiekontext integriert werden kann und welche Herausforderungen aber auch welche Lösungsansätze es für die Kostenerstattung dolmetscher*innengestützter Psychotherapien gibt. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Korinna Fritzemeyer, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Klinische Psychologie und Psychotherapie an der PHB.

23. Mai 2023 | 18:30 Uhr via Zoom
Josua Handerer: Systemische Therapie und Diversität

Im seinem Onlinevortrag nahm Josua Handerer, Ausbildungsleiter für Systemische Therapie an der PHB, einen systemischen und anwendungsbezogenen Blick auf Diversitätsthemen in der psychotherapeutischen Praxis vor. Er ging unter anderem auf die Frage ein, wie Therapeut*innen damit umgehen können, wenn ihnen im Praxisalltag Patient*innen mit unterschiedlichen Lebensformen und -wirklichkeiten begegnen. Dabei skizzierte er typische Probleme, die sich daraus ergeben können, wenn Patient*nnen ein anderes Geschlecht haben, in einem anderen Lebensabschnitt sind oder aus einem anderen kulturellen Kontext stammen als ihre Therapeut*innen und zeigte systemische Lösungsansätze dafür auf.

 

Herzlichen Dank allen Beteiligten für diese anregenden und lehrreichen Veranstaltungen!

„Jenseits der Mauer: Psychologie in der DDR“ – Öffentliche Vortragsreihe der PHB im Sommersemester

Inwieweit wird die Psychologie als Fachrichtung vom politischen und ideologischen Rahmen der Gesellschaft geprägt, in der sie angesiedelt ist? Welche Einflüsse hatte konkret das DDR-System auf die Psychologie und ihre Anwendungsbereiche? Inwiefern unterschied sich psychologische Ausbildung und Praxis innerhalb der DDR im Vergleich zu unserem heutigen System – und wo gab es Gemeinsamkeiten? Und inwieweit wurde die Psychologie in der DDR politisch instrumentalisiert? Fragen wie diesen widmet sich die öffentliche Vortragsreihe „Jenseits der Mauer: Psychologie in der DDR“ an der PHB im aktuellen Sommersemester.

 

Die Semesterreihe ist Teil der übergeordneten Vorlesungsreihe „Psychologie & Gesellschaft“, die die PHB seit letztem Jahr in Kooperation mit der Sektion Politische Psychologie des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) ausrichtet. Als ReferentInnen eingeladen sind Prof. a.D. Susanne Guski-Leinwand sowie Dr. Rainer Erices, die im Rahmen des Verbundprojekts „Seelenarbeit im Sozialismus“ (SISAP) zur Rolle der Psychologie in der DDR geforscht haben. In ihren Vorträgen werden sie faszinierende Einblicke in die Geschichte und Entwicklung des Fachs Psychologie in der DDR geben.

 

Die Vorträge sind kostenlos und für die breite Öffentlichkeit zugänglich – alle Interessierten sind herzlich eingeladen! Weiterführende Informationen und Möglichkeiten zur Anmeldung finden sich unter den Links zu den einzelnen Veranstaltungen.

Beachvolleyball, League of Legends oder Zumba: PHB ist jetzt kooperierende Universität im Berliner Hochschulsport

Seit dieser Woche ist die PHB kooperierende Universität in der Zentraleinrichtung Berliner Hochschulsport. Damit haben Studierende und Mitarbeitende ab dem Sommersemester die Möglichkeit, Kurse aus dem Sportangebot der beteiligten Berliner Universitäten zu nutzen.

 

Ob Wassersport, Klettern oder Pilates – ob regelmäßige Kurse, einmalige Workshops oder Turniere: der Berliner Hochschulsport bietet jedes Semester ein einzigartig vielfältiges Angebot an Kursen für mehr als 50.000 Teilnehmende.

 

Interessierte können sich über die Websites der beteiligten Universitäten anmelden. Bei der Abfrage des Status klicken Studierende die Kategorie „Student*in“ und in der Folge den Namen der PHB an – Mitarbeitende wählen „Beschäftigte*r“. Einzelheiten sind den Webseiten der verschiedenen Hochschulsporteinrichtungen zu entnehmen.

 

Schnappt Euch die Yogamatte, zieht die Sportsocken hoch und nutzt das Sommersemester 2023 dafür, einen neuen Sport auszuprobieren oder neue Menschen kennenzulernen. Schon jetzt gibt es eine Vorschau der verfügbaren Kurse bei einigen Universitäten – die Anmeldung ist ab Ende März online auf den Seiten der beteiligten Universitäten möglich. Ihr könnt euch nicht entscheiden? Dann nutzt den Uni-Sport-Omat!

Hilfe bei der Bewältigung von Krieg und Trauma: Abkommen für transnationales ukrainisches Hilfsprojekt unterzeichnet

Die Psychologische Hochschule Berlin (PHB) hat mit der National Academy of Educational Sciences of Ukraine (NAES) ein Kooperationsabkommen zum gemeinsamen Hilfsprojekt „hope – helping to cope abgeschlossen. Das Abkommen wurde von Dr. Günter Koch, Geschäftsführer der PHB, und Prof. Dr. Vitalii Panok, Präsidiumsmitglied der NAES, unterzeichnet. Es besiegelt eine Zusammenarbeit über Grenzen hinweg, die unbürokratisch und schnell eine wichtige Versorgungslücke vor Ort schließen soll: die akutpsychologische Betreuung vom Krieg betroffener Kinder und Jugendlicher in der Ukraine.

 

Koordiniert von Prof. Johanna Böttcher (PHB) und Yuriy Luzenko (NAES) werden ukrainische SchulpsychologInnen im Umgang mit psychologischen Kriegsfolgen bei Kindern und Jugendlichen ausgebildet. Um eine schnelle Versorgung Betroffener zu gewährleisten, werden dabei sowohl Maßnahmen zur Prävention (Teilprojekt PREVENT) als auch zur Behandlung (Teilprojekt INTERVENE) systematisch vermittelt.

 

Mit dem Treffen der ProjektinitiatorInnen an der PHB hat sich nun ein Kreis geschlossen: Nach Beginn der Bombardements auf Kiew waren Prof. Panok und seine Tochter, die Psychologin Iryna Panok, aus der Ukraine nach Berlin geflüchtet. In Berlin angekommen beschlossen sie, psychologische Unterstützung für ihre Landsleute zu organisieren. Durch Internetrecherchen wurden sie auf die PHB aufmerksam: “We literally went door-to-door in the University and asked faculty members if they could help us find someone who could give us some guidance on how we might go about setting up an educational program on psychological aid”, erzählt Iryna Panok.

 

Die Hochschulleitung der PHB und Prof. Johanna Böttcher, Koordinatorin der Ukraine-Hilfsprojekte an der PHB, sagten schnelle und unbürokratische Unterstützung zu. Das Ziel des Projekts beschreibt Prof. Böttcher so: „Unsere KollegInnen in der Ukraine stehen vor der immensen Herausforderung, die psychologischen Folgen des Krieges aufzufangen. SchulpsychologInnen spielen hier eine Schlüsselrolle, da sie nah und zugänglich für Familien sind. Durch das hope-Projekt wollen wir sie bei ihrer großen Aufgabe unterstützen. Zusammen mit unseren ukrainischen KollegInnen wollen wir Fachkompetenzen vermitteln, Ressourcen stärken, und Überforderung, so weit es geht, vorbeugen. Wir wollen auch signalisieren, dass sie in dieser schwierigen Zeit nicht alleine sind.“

 

Ein halbes Jahr später war die Pilotphase des hope-Projekts erfolgreich beendet. Zusammen mit 15 Psychologen und Psychologinnen aus der Region Ivana-Frankivsk, der ostukrainischen Region Sumy sowie der aktuell unter Beschuss stehenden Dnipro-Region waren in dieser Phase die Bedarfe und Ansprüche der Zielgruppe erhoben und Lehrinhalte für die Workshops ausgewählt worden. Auf dieser Grundlage wurde eine Weiterbildung entwickelt, die im November gestartet ist und in der notfallpsychologische Kompetenzen zum Umgang mit akut traumatisierten Menschen vermittelt werden. Bis März nächsten Jahres werden 45 PsychologInnen weitergebildet, die im Anschluss wiederum andere PsychologInnen vor Ort ausbilden sollen. Auf diese Weise soll in den nächsten Monaten die psychologische Versorgung von Kindern und Jugendlichen vor Ort in der Ukraine exponentiell gesteigert werden. Die Erkenntnisse des Projekts sollen wissenschaftlich analysiert werden und als Grundlage zur Verbesserung von Gesundheitssystemen dienen.

 

Das Projekt hope – helping to cope wird getragen von der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB) und der National Academy of Educational Sciences of Ukraine (NAES). Es wird gefördert von der AETAS Kinderstiftung und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

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„Eine Art symbolischer Hafen“: steps – ein PiA-gesteuertes Hilfsprojekt für Geflüchtete an der PHB

Mehr als eine Million Menschen sind 2022 vor Krieg und Verfolgung nach Deutschland geflohen – die meisten kamen aus der Ukraine, viele aber auch aus Ländern wie Syrien, dem Irak oder Afghanistan. Diese Menschen sind vielfältigen psychischen Belastungen ausgesetzt – der Zugang zu psychologischer Hilfe ist jedoch gerade für Geflüchtete in Deutschland durch viele Barrieren erschwert. Um an dieser Stelle schnell und unbürokratisch zu helfen, haben Psychotherapeutinnen in Ausbildung an der PHB im Frühjahr 2022 das Projekt steps – strong together psychologically ins Leben gerufen. Innerhalb weniger Monate haben sie in ehrenamtlicher Arbeit ein professionell agierendes Ambulanzprojekt aufgebaut, das dolmetschergestützte psychologische Beratung für Erwachsene und Kinder anbietet. Inzwischen sind 15 PiAs und 10 Dolmetschende für steps aktiv und es wurden mehr als 150 Beratungsstunden – ebenfalls ehrenamtlich – geleistet. Wir wollten mehr über das Projekt erfahren und haben uns mit Tanja Trost, Swaantje Laurent, Natalia Premer und Mateo Bayer getroffen, um mit ihnen über ihre Erfahrungen mit steps und ihre Wünsche und Ziele für das Projekt zu sprechen.

PHB: Liebes steps-Team, vielen Dank erst einmal, dass ihr euch die Zeit für dieses Interview genommen habt! Könnt ihr uns zum Einstieg erzählen, wie ihr auf die Idee gekommen seid, das Projekt steps ins Leben zu rufen?

Tanja Trost: Wir waren zu Beginn des Ukrainekriegs alle ziemlich überwältigt. Die Frage, die wir PsychotherapeutInnen in Ausbildung (PiAs) uns in dieser Situation gestellt haben, war: können wir einen Beitrag leisten mit der speziellen Kompetenz, die wir haben? Wir haben uns daraufhin als PiA-Gruppe mit sechs oder sieben Frauen zusammengefunden und erste Ideen gesammelt. Unterstützung haben wir dann auch schnell von Prof. Johanna Böttcher, Prof. Frank Jacobi und der Hochschulleitung der PHB bekommen – im Wesentlichen hat sich steps aber als PiA-gesteuertes Projekt entwickelt.

 

Swaantje Laurent: Was uns am Anfang auch sehr motiviert hat, war die Vernetzung mit der Universität Greifswald, die schon aktiv Geflüchtete psychologisch unterstützt hat. Es hat uns viel Mut gemacht zu sehen, dass so etwas möglich ist. Letztendlich haben wir uns nicht an dem speziellen aufsuchenden Beratungskonzept aus Greifswald orientiert, aber es war ein wichtiger Motivator für uns, der uns Ideen und Input gegeben hat. Seitens der PHB haben wir dann auch einen eigenen Raum gestellt bekommen und auf dieser Basis haben wir begonnen, uns zu organisieren. Es war uns von Anfang bewusst, dass viel an den Sprachmittelnden hängen wird – dass es ohne sie keinen Kontakt und kein Gespräch geben würde. Daher haben wir unsere Fühler zuerst in diese Richtung ausgestreckt. Gefühlt hat es lange gedauert, bis wir die ersten Beratungen anbieten konnten, aber objektiv gesehen ging es, glaube ich, relativ schnell.

 

Natalia Premer: Ja, im Mai kamen die ersten Anrufe und wir konnten dann auch schnell die ersten Beratungen durchführen.

 

 

PHB: Was ist seitdem aus dem Projekt geworden? Was ist steps und an wen richtet sich das Projekt?

Tanja Trost: Zunächst muss man sagen, dass sich unser Konzept mit den Erfahrungen, die wir machen, verändert. Wir hatten auch das Glück, dass wir nicht in ein bürokratisches Korsett gesteckt wurden, sondern uns selbst überlegen konnten, wen und wie wir beraten wollen. Generell hat steps sich zu einem Projekt entwickelt, das schnelle und unbürokratische psychologische Beratungen für Menschen anbietet, die aus ihren Heimatländern zu uns nach Berlin geflohen sind. Am Anfang hatten wir den Fokus fast exklusiv auf Menschen gerichtet, die aus der Ukraine zu uns gekommen sind. Das schloss natürlich auch Menschen aus Drittstaaten ein – die also beispielsweise in der Ukraine als Studierende gelebt hatten und flüchten mussten. Uns war aber nicht wohl dabei, eventuell eine Zwei-Klassen-Gesellschaft innerhalb der Geflüchteten zu kreieren. Darum haben wir unser Angebot ausgeweitet und greifen jetzt dort, wo andere Sprachen als Ukrainisch oder Russisch gefragt sind, auf professionelle Dolmetschende zurück. Was unser Beratungskonzept angeht, so bieten wir in einem ersten Schritt fünf Sitzungen mit 90 bis 120 Minuten an – da unterscheiden wir uns von Psychotherapien, die ja in der Regel 50 Minuten beinhalten. Mit 90 bis 120 Minuten haben wir bisher gute Erfahrungen gemacht, weil ja schon das Dolmetschen Zeit braucht. Was wir aber feststellen, ist, dass die fünf Sitzungen in vielen Fällen zu knapp bemessen sind – daher erweitern wir das in Einzelfällen auf bis zu zehn Sitzungen.

 

 

PHB: Wenn ihr von psychologischer Beratung sprecht – was umfasst das in eurem Fall denn genau?

Tanja Trost: Wir versuchen uns auf jede Person mit ihrem individuellen Anliegen sehr genau einzustellen. Dabei nutzen wir ein großes Spektrum an Interventionen. Wir kommen ja auch aus drei verschiedenen Verfahrensrichtungen – was es sehr spannend macht, weil jede und jeder Beratende eigene Ansätze hat. Aber es gibt einige Dinge, die uns einen. Zunächst einmal das Zuhören und Verstehen. Auch Stabilisierung ist ein wichtiges Thema in den meisten Gesprächen. Wir bieten einen Raum, in dem Menschen alle möglichen Themen ansprechen können. Wo sie Dinge aussprechen können, die sie erlebt haben, und wo Gefühle ausgedrückt werden können. Es geht oft um das, was wir in der Psychotherapie Gefühlsvalidierung nennen: Gefühle sein zu lassen, sie ernst zu nehmen und zu vermitteln, dass unangenehme Emotionen wie Angst, wie Wut, wie Verzweiflung oder auch Rachegefühle und Hoffnungslosigkeit da sein dürfen und auch völlig normal sind. Das würde ich sagen, ist eine Kernintervention, die wir alle anwenden.

 

Natalia Premer: Was ich noch ergänzen würde, ist, dass Belastungen durch die Alltagswelt ein großes Thema sind, bei dem wir unterstützen. Oft sind es zum Beispiel Mütter mit Kleinkindern, die sehr viele bürokratische Dinge erledigen müssen – eine Wohnung oder Arbeit finden, einen Integrationskurs suchen und auch die Zeit finden, an ihm teilzunehmen. Ich habe da eine große allgemeine, emotionale Belastung erlebt.

 

Mateo Bayer: Eine Erfahrung, die ich gemacht habe, ist, dass die Menschen, die ja gewissermaßen auch aus einem anderen kulturellen Kreis kommen, hier am Anfang oft sehr alleine sind. Und da bietet steps eine Art symbolischen Hafen. Das bedeutet, dass man nicht alleine ist – mit egal welcher Problematik. Außerdem trifft man bei steps auf Menschen, die hier leben, arbeiten und groß geworden sind – die die ganzen gesellschaftsspezifischen Abläufe kennen und die Sprache sprechen. Dass Geflüchtete bei uns diese Art von Unterstützung finden und das auch regelmäßig – das hat meine Klientinnen sehr stark stabilisiert.

 

 

PHB: Was sind denn Themen oder Bedarfe, mit denen Menschen zu euch kommen?

Natalia Premer: Viele Menschen kommen zu uns, weil sie ein hohes Maß an Stress und Belastung erleben.

 

Swaantje Laurent: Hoffnungslosigkeit, depressive Symptome und Ängste würde ich auch dazuzählen.

 

Tanja Trost: Die Fälle sind sehr unterschiedlich und die Menschen kommen aus ganz verschiedenen Zusammenhängen. Aber ich würde mich auch meinen Kolleginnen anschließen: es sind Belastungssymptome, es sind Depressionen und es sind Angstsymptomatiken. Und es gibt die Herausforderung, sich in dem neuen Umfeld zu orientieren. Außerdem ist uns aufgefallen, dass entgegen unserer Erwartungen konkrete Fluchterfahrungen oder Traumatisierungen sehr wenig angesprochen werden. Vielleicht ist es dafür noch zu früh.

 

Natalia Premer: Ja, Klient*innen wollen häufig nicht darüber reden. Bei einer meiner Klientinnen ist es auch so, dass sie über ihre Erfahrungen mit dem Krieg und der Flucht nicht sprechen möchte.

 

Swaantje Laurent: Eine meiner Klientinnen hat zwar über Kriegserfahrungen gesprochen – allerdings ging es dabei um den Angriff aus dem Jahr 2014. Das heißt, wir waren erst einmal in der Vergangenheit und sind gar nicht in die Gegenwart gekommen. Ich will damit sagen: diejenigen, die traumatisiert sind, sind teilweise schon sehr lange traumatisiert.

 

Mateo Bayer: Ich hätte noch zwei Themen, die ich ergänzen würde. Bei meinen Klienten ist das Thema Einsamkeit sehr präsent. Dazu gehören auch Fragen wie: wer bin ich und was mache ich hier? Und dann Verlust – und das bedeutet auch, Verlust der Heimat oder Verlust der Jugend dort.

 

Swaantje Laurent: Ja und allgemein die Frage: wie geht es jetzt weiter? Das windet sich wie ein roter Faden durch viele Beratungen.

 

 

PHB: Habt ihr die Möglichkeit, Menschen, bei denen ihr merkt, dass sie einen dringenden Therapiebedarf haben, auch in Therapien zu vermitteln?

Natalia Premer: Wenn es auf Englisch möglich ist, dann können wir bei unserer Ambulanz nachfragen. Vor kurzem hatten wir den Fall, dass eine Mutter einen Psychiater gesucht hat für ihre 14-jährige Tochter – auch da konnten wir einen Termin vermitteln. Unsere eigene Grenze ist da, wo es um wirklich klinisch relevante Diagnosen geht – dann können wir im Rahmen unseres Projekts nicht helfen. Wir können auch keine Rezepte ausstellen oder Medikamente besorgen. Aber das klären wir gleich telefonisch, dass wir nicht dafür da sind.

 

Mateo Bayer: Einige Fälle wurden auch in eine Klinik begleitet.

 

Tanja Trost: Ja, wir hatten suizidale Fälle, die wir in Kliniken unterbringen konnten – aber ansonsten ist es schon, als würde man eine Nadel im Heuhaufen suchen, wenn es darum geht, einen Psychotherapieplatz zu finden. Es gibt einfach sehr wenige freie Kapazitäten sowohl in unserer eigenen Ambulanz als auch bei niedergelassenen Therapeut*innen. Aber wir freuen uns, dass wir die ersten Klient*innen in die Ausbildungsambulanz der PHB übernehmen konnten, das wurde auch ganz unbürokratisch ermöglicht.

 

 

PHB: Was sind eure Ziele mittelfristig mit und für steps? Woran arbeitet ihr gerade und was würdet ihr euch wünschen für das Projekt?

Swaantje Laurent: Ein Ziel ist, dass wir stabil circa 10-15 Klient*innen in der Woche beraten können. Außerdem arbeiten wir noch daran, Abläufe zu optimieren und neue Dolmetschende und Therapierende zu finden. Es läuft schon alles ziemlich gut, aber es ist gleichzeitig auch noch vieles im Werden.

 

Natalia Premer: Für mich war steps zuerst eine Bewegung, um Menschen zu unterstützen. Und mit der Zeit habe ich gemerkt, wieviel wir als PiAs auch lernen können bei dem Projekt – das ist total bereichernd. Wir mussten Techniken entwickeln und uns Dokumentationsbögen oder Raumbuchungsverfahren überlegen – es ist so etwas wie unsere kleine Ambulanz geworden. Wie die Institutsambulanz aber im kleineren Maßstab. Man lernt viel über Beratungsstrategien und Fallanalyse und Teamarbeit. Ich finde, das ist eine unheimlich hilfreiche Erfahrung.

 

Mateo Bayer: Aus meiner Sicht war der Ukrainekrieg eine Art Impuls, der dafür sensibilisiert hat, dass es Menschen in Not gibt. Ich bin froh, dass wir unser Angebot ausgeweitet haben. Es hat sich merkwürdig angefühlt, diese Hilfe nur für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe anzubieten, die momentan natürlich massiv leidet. Ich würde mir wünschen, dass wir die anderen nicht aus dem Blick verlieren und ich glaube, das ist auch unser gesellschaftlicher Auftrag. Inhaltlich läuft es aus meiner Sicht gut, ich würde mir aber wünschen, dass die Strukturen, die sich bei uns im Haus der Psychologie in der Zusammenarbeit von BAP und PHB gebildet haben, dauerhaft etabliert werden.

 

Tanja Trost: Ich würde mir wünschen, dass steps nicht nur ein engagiertes Projekt von einem Jahr war. Ich halte es für realistisch, an der PHB dauerhaft eine Ambulanz für Geflüchtete aufzubauen, die zudem nicht nur auf ukrainische Geflüchtete beschränkt ist. Und ich hätte einen weiteren Wunsch, der mit einem ausdrücklichen Kompliment an die Geschäftsführung und alle Kolleg*innen der PHB verbunden ist, die uns unterstützt haben. Wir haben wirklich immer offene Türen gehabt mit unseren Ideen und haben unheimlich viel Gestaltungsmöglichkeiten. Das hat uns einen tollen Rahmen gegeben, weil wir gestalten durften, wie wir meinten – es hat uns niemand gebremst. Wenn wir etwas brauchten, haben wir es auch bekommen. Und das hat, glaube ich, diese Atmosphäre geschaffen, in der wir dann so engagiert bis heute arbeiten konnten. Ich würde mir wünschen, dass das so bleibt. Das empfinde ich als etwas Besonderes. Für ein Fortbestehen des Projekts werden wir aber tatsächlich mehr finanzielle Ressourcen benötigen. Ich kann mir vorstellen, dass das PiA-Engagement weiterhin hoch bleibt, weil es auch eine wertvolle Erfahrung ist, schon vor der Zwischenprüfung intensiv Beratungserfahrung zu sammeln. Aber mindestens die koordinierenden Stellen – also die Projektleitung und die Anmeldung – müssten dauerhaft finanziell gesichert sein. Das ist das Rückgrat, was alles trägt. Dazu kommen die Dolmetschenden, die für die Beratungen bezahlt werden müssen. Und es wäre außerdem wichtig, auch den Beratenden eine Aufwandsentschädigung geben zu können.

 

Swaantje Laurent: Ich wünsche mir auch sehr, dass es weitergeht, denn es ist so viel Arbeit und Liebe in dieses Projekt reingeflossen. Es ist etwas sehr, sehr gutes entstanden. Sollte das jetzt irgendwann mal nicht mehr möglich sein, weil die finanziellen Ressourcen fehlen oder unsere PiAs die Zeit nicht mehr ehrenamtlich aufbringen können – das fände ich sehr schade. Ich hoffe, dass dafür Lösungen gefunden werden und auch Kooperationspartner, die uns unterstützen. Persönlich hoffe ich, dass ich noch eine längere Zeit dabeibleiben kann. Aber auch ich muss sehen, wie viel Ehrenamt für mich vereinbar ist mit anderen Bedürfnissen.

Interviewbeteiligte

Tanja Trost, Psychotherapeutin in Ausbildung in Systemischer Therapie (PHB), Projektkoordinatorin und psychologische Beraterin bei steps

Swaantje Laurent: Psychotherapeutin in Ausbildung in Verhaltenstherapie (PHB), Projektkoordinatorin und psychologische Beraterin bei steps

Natalia Premer: Psychotherapeutin in Ausbildung in Systemischer Therapie (PHB), Sprechstundenkoordination, Dolmetscherin, Übersetzerin und psychologische Beraterin bei steps

Mateo Bayer: Psychotherapeut in Ausbildung Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (BAP), psychologischer Berater für steps

Interview: Cornelia Weinberger

Fotos: Mara Buggenthin